Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
des westdeutschen Strafgesetzbuches, der sogenannten Lex Baader, wegen Teilnahme an einer kriminellen Vereinigung verurteilt wurden oder verdächtig sind. Das war praktisch zwar längst geschehen, wurde aber nunmehr mit Wirkung vom 2. Oktober offiziell für 70 Straf- und Untersuchungsgefangene angeordnet.
Ende September, Anfang Oktober forcierte die Polizei trotz Warnung der Terroristen die Fahndung erneut. Im Lagezentrum des Bundesinnenministeriums erwog man für gewisse Fälle die Möglichkeit, künstlich ein Verkehrschaos herbeizuführen, das heißt eine „Aktion Rotlicht" auszulösen, bei der schlagartig alle Verkehrsampeln auf Rot geschaltet werden, um den gesamten Verkehr zu blockieren.
Am 8. Oktober veröffentlichte eine Pariser Zeitung einen handschriftlichen Brief Schleyers, der die Bundesregierung zu einer raschen Entscheidung aufforderte. Dem Brief lag wiederum ein Foto bei: Seit 31 Tagen Gefangener der RAF.
Die Hinhaltetaktik der Regierung wurde immer offenkundiger, immer klarer auch ihre Absicht, die Entführer zu überlisten. Am 10. Oktober teilte das BKA im westdeutschen Fernsehen mit, daß bei Rechtsanwalt Payot eine „wesentliche Mitteilung" für die Entführer bereitläge. Die aber holten die Nachricht nicht ab. Allmählich sickerte durch, daß Payot überwacht würde, und zwar so dilettantisch, daß jeder Laie es merken mußte. Absicht oder Versehen? Die Polizei wußte genau, daß die Terroristen nicht nur ihre Anschläge minutiös planen, sondern stets auch ein System der Gegenobservation, das heißt der Überwachung der Polizeiaktionen aufbauen. Sollte vielleicht der bis dahin nicht gebrauchte Hinweis „wesentliche Mitteilung" am Ende die Entführer gar abhalten, die Botschaft abzuholen? Die Antiterroreinheiten der BRD-Polizei verfügen über Psychologieexperten, die bei wichtigen Aktionen zu Rate gezogen wurden. Sollten sie das BKA so schlecht beraten haben? Andererseits verfügte die BRD-Kripo zu dieser Zeit bereits über umfangreiche Erfahrungen in der Terrorismusbekämpfung, die derart simple Fehler unmöglich er-
scheinen lassen. Wie auch immer - die Entführer meldeten sich bis zum 13. Oktober nicht mehr.
An diesem Tage, es war ein Donnerstag, startete pünktlich um 12 Uhr 55 in Palma de Malorca die Lufthansamaschine D-ABCE-LH Cily-Jet „Landshut", eine Boeing 737, zu ihrem planmäßigen Flug nach Frankfurt am Main. Sie hatte 86 Passagiere, zumeist Urlauber, und fünf Besatzungsmitglieder an Bord und sollte um 15 Uhr 10 auf dem Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt eintreffen. Dort kam sie aber nicht an, sondern landete um 15 Uhr 45 in Rom. Schon gegen zwei Uhr meldete der Tower in Mailand ihre Flugroutenabweichung. Unmittelbar nach der Ankunft in Rom teilte ein gewisser Hauptmann Walter Mohamed aus der „Landshut" mit, Flugzeug und Passagiere befänden sich in der Gewalt seiner Gruppe. Die Geiseln würden erst dann heimkehren, wenn „die Genossen, die in den deutschen Gefängnissen sitzen", freigelassen werden. Geschähe dies nicht, wollte man die Geiseln töten.
Die Bonner Regierung, sofort benachrichtigt, entsandte einen Mitarbeiter der BRD-Botschaft in Rom zum Flughafen. Die Flugzeugentführer ließen jedoch niemand an die Maschine heran. Dennoch gelang es Flu^kapitän Schumann, eine verschlüsselte Nachricht nach draußen zu schmuggeln. Vier unversehrte und nicht angerauchte Zigaretten verrieten den BKA-Spezialisten die Anzahl der Entführer. Von diesen war nicht viel bekannt. Anfangs hieß es, es wären Araber, später dann zwei Araber und zwei Deutsche. Zwei der Flugzeugentführer sollten Frauen sein.
In Bonn wurde in aller Eile die Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9) alarmiert. Diese in den BGS eingegliederte und damit dem Bundesinnenministerium unterstellte Elitetruppe war nach dem Massaker von Fürstenfeldbruck 1972 aufgebaut worden. Sie ist in Hangelar bei Bonn stationiert, besteht aus einer Führungstruppe, drei Einsatzeinheiten, mehreren technischen Gruppen und einer Hubschrauberkette. Jede Einsatzeinheit hat einen Einsatztrupp und fünf Spezialgruppen, die sich in ihrer Kampftaktik an das Konzept der amerikanischen Ranger und der sogenannten südamerikanischen Stadtguerillas anlehnen, also selbst terroristische Methoden praktizieren. Laut Dienstanweisung 1-1-630309/1 des Bundesinnenministers soll die GSG 9 den Ländern der BRD in Fällen von Mord, Totschlag, Menschenraub, Geiselnahme und räuberischer Erpressung Hilfe geben. Die
Länderregierungen hatten jedoch bisher nie
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