Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
sich zufrieden. Und obwohl der stets gleichförmige Tatbefund den Schluß geradezu aufdrängte, daß alle diese Morde von ein und demselben Täter begangen wurden, wurstelte jede örtliche Kriminaldienststelle für sich allein an der Aufklärung herum.
Alle neun Verfahren wurden nach Ablauf der gesetzlichen Untersuchungsfrist durch die Staatsanwaltschaft „mangels verfolgbarer Täterspuren" eingestellt.
Der betrunkene Häftling
Während die Frauenmordserie an der Zonengrenze angesichts der steigenden Zahl von Gewaltverbrechen allmählich in Vergessenheit geriet, brachte im niedersächsischen Zuchthaus Celle der Häftling Nr. 2106/47 die Wärter zur Verzweiflung. Es war Juli 1949, und dieser Häftling, ein dicklicher Mann mit aufgeschwemmtem Vollmondgesicht und billiger Nickelbrille, hieß Rudolf Pleil und war seit über zwei Jahren in Haft.
Pleil, am 7. Juli 1924 in Kühberg, Kreis Annaberg, geboren, war am 5. Dezember 1947 wegen Totschlags in Tateinheit mit besonders schwerem Raub zu zwölf Jahren und drei Monaten Zuchthaus verurteilt worden.
Die 1. Strafkammer des Landgerichts Braunschweig, die unter Aktenzeichen 5 Kls 30/47 seinen Fall behandelte, hatte Pleil auf Grund eines Gutachtens des Psychiaters Barnstorf verminderte Zurechnungsfähigkeit zugestanden und daher von einer schwereren Strafe abgesehen.
Rudolf Pleil hatte in der Nacht vom 13. zum 14. April 1947 im Grenzgebiet zur sowjetischen Besatzungszone den 52jährigen Kaufmann Bennen aus Hamburg mit der scharfen Seite eines Beiles erschlagen, ausgeraubt und die Leiche zusammen mit dem Tatwerkzeug in die Zorge geworfen. Hinweise der Bevölkerung hatten die Kriminalpolizei auf den Schwarzhändler und Grenzgänger Pleil aus Zorge aufmerksam gemacht. Vier Tage später, am 18. April, wurde er verhaftet.
Der Verdächtige leugnete die Tat, konnte aber durch die am Tatwerkzeug gesicherten Fingerabdrücke überführt werden. Auf die Idee, Pleil im Hinblick auf die Frauenmorde zu überprüfen, der Schädelfund fiel ja in den Dienstbereich derselben Kripostelle, kam man jedoch nicht.
Pleil kam vor Gericht. In der Verhandlung legte er ein Geständnis ab. Er hätte Bennen über die Grenze in die sowjetische Zone schleusen wollen, aber infolge eines Schwipses den Weg verfehlt. Darüber wäre der Kaufmann zornig gewesen und hätte dauernd geschimpft. Diese Meckerei hätte ihn, Pleil, so sehr in Wut gebracht, daß er einfach mit dem Beil zuschlagen mußte und erst wieder aufhören konnte, als der andere „mausetot" war.
Weil Pleil Epileptiker und zur Tatzeit zudem noch angetrunken war, glaubte ihm das Gericht und billigte ihm mildernde Umstände zu.
Für die Kriminalpolizei von Niedersachsen war der Fall Bennen/Pleil ohnehin längst abgeschlossen. Pleil wurde aus der Untersuchungshaft in die Strafvollzugsanstalt Celle verlegt, seine Akte „auf Frist" gelegt.
In Vergessenheit geriet er jedoch nicht. Dafür sorgte schon sein auffällig aggressives Verhalten gegenüber Mithäftlingen. Keiner der anderen Gefangenen wollte mit Pleil. diesem „Verrückten", die Zelle teilen. Pleil mißhandelte in geradezu sadistischer Weise und ohne erkennbaren Grund seine Zellengenossen. Schließlich wurde es dem Aufsichtspersonal zu dumm, und Pleil wurde auf Weisung der Staatsanwaltschaft zur psychiatrischen Untersuchung in die Heilanstalt Königslutter überwiesen.
Hier war er nicht unbekannt. Anstaltsarzt und Medizinalrat Barnstorf hatte schon 1947, gleich nach dem Totschlag an Kaufmann Bennen, versucht, die geheimnisvollen Gehirnwindungen in Pleils „ostischem Kugelkopf" zu erforschen, ohne dabei freilich viel mehr zu entdecken, als Pleil selbst ausplaudern wollte. Damals war die Zeit auch knapp bemessen und Pleil für den Psychiater nicht mehr als ein Durchschnittstotschläger. Jetzt freilich, nach den diversen sadistischen Attacken im Zuchthaus, die Pleils verbogenen Sexus offenbarten, war sein Fall wesentlich interessanter. Außerdem stand reichlich Zeit zur Verfügung.
Pleil wurde gründlich untersucht, über sein Leben und das seiner längst verblichenen Verwandten befragt, über seine Gefühle, Gedanken und Empfindungen exploriert, minutiös über Frequenz, Methodik, Zielrichtung, Erfolg, Mißerfolg sowie Haupt- und Nebenerscheinungen seines Geschlechtslebens verhört und verschiedenen Tests unterworfen.
Beim Alkoholtest geschah es dann. Pleil, den Schnaps nicht mehr gewöhnt, geriet urplötzlich in Ekstase. Er riß sich das Jackett vom Leibe, warf sich damit auf den
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