Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
Braunschweig-Land, die sich nun endlich aufraffte und zu dem von Pleil bezeichneten Ort, einem Brunnen am Bahnwärterhäuschen Nr. 25 an der stillgelegten Bahnstrecke Vienenburg—Halberstadt, fuhr.
Und damit kam, knapp drei Jahre nach dem Schädelfund bei Zorge, das nur etwa 35 Kilometer südlich davon gelegen ist, die Aufklärung der Frauenmordserie doch noch ins Rollen. In dem von Pleil bezeichneten Brunnen wurden gleich zwei Leichen entdeckt. Beide mit den typischen Merkmalen der Frauenmordserie von 1946/47.
Die Morde standen in engem zeitlichem und örtlichem Zusammenhang mit dem Mord an der 20jährigen Margot M., die am 17. Januar tot aus der Ecker geborgen worden war. Und von beiden Verbrechen hatte die Kriminalpolizei bis dahin keine Ahnung.
Jetzt gelang es der Kripo schon nach kurzer Zeit, die Leichen zu identifizieren. Die 37jährige Hausfrau Erika M. war von Pleil am 14. Dezember 1946 unter einem Vorwand in das Bahnwärterhäuschen gelockt, dort mit einer zehn Pfund schweren Kupplungsstange erschlagen und nach entsprechender „Bearbeitung" in den Brunnen geworfen worden. Fünf Tage später hatte die 44jährige Witwe G. an gleicher Stelle das gleiche Schicksal erlitten.
In aller Eile begann die Braunschweiger Kriminalpolizei per Fernschreiben Anzeigen und Vorgänge zu ungeklärten Frauenmorden einzusammeln. Die nunmehr einsetzenden Ermittlungen, Vernehmungen und sonstigen Untersuchungsergebnisse füllten in wenigen Wochen 36 Ordner. Der Kriminalpolizei mußten Sonderkräfte zugeteilt werden, und ein Staatsanwalt beschäftigte sich ausschließlich mit diesem Ermittlungsverfahren.
Im Zuge der Untersuchung stieß man auch auf einen Mordversuch, dessen Akte längst abgeheftet war und der deutlich Pleils „Handschrift" aufwies.
Am 12. Dezember 1946, also nur zwei Tage vor dem Mord an Erika M., war auf niedersächsischem Gebiet im Südharz die 55jährige Witwe Lucie S. aus Schleswig-Holstein brutal mit einem Knüppel zusammengeschlagen und beraubt worden.
Frau S. war damals aus der sowjetischen Zone gekommen und bei Nordhausen über die Grenze gegangen. Unterwegs hatte sie sich zwei Männern angeschlossen, die von einem jungen Mädchen begleitet wurden. Die Männer waren ortskundig und hatten ihr angeboten, sie sicher in die britische Zone zu schleusen.
Frau S., die in ihrem Gepäck einige Flaschen „Nordhäuser" mitführte, war gern auf dieses Angebot eingegangen, zumal sie den Weg nicht genau kannte und beide Männer einen vertrauenerweckenden Eindruck machten. Besonders der ältere, Pleil. wie sich später erwies, gab sich fürsorglich, band ihr die Schnürsenkel zu und erbot sich sogar, ihr Gepäck zu tragen.
Als man die Zonengrenze glücklich passiert hatte und Lucie S., von Aufregung und Weg müde, um eine Pause bat, suchten sie ein geschütztes Plätzchen und rasteten. Frau S. packte ihre
Tasche aus und bot den Männern Brot und Schnaps an. Das aber wurde ihr zum Verhängnis.
Pleil, an diesem Tage ausnahmsweise noch nüchtern, riß die Flasche sofort an sich und begann gierig zu schlucken. Als die Frau sie ihm wegnehmen wollte, wurde er wütend und schlug mit seinem „Wanderknüppel" auf sie ein.
Frau S. brach zusammen, was Pleil jedoch nicht daran hinderte, weiter auf sie einzudreschen. Auch der andere, ein gewisser Schüßler, von Pleil dazu aufgefordert, schlug einmal kräftig zu, ergriff dann jedoch unter Mitnahme des Gepäcks der Witwe die Flucht. Mit ihm rannte das junge Mädchen davon.
Pleil, einen Moment unschlüssig, ob er die Witwe vergewaltigen oder lieber dem Schnaps hinterherlaufen sollte, entschloß sich schließlich für den Schnaps und setzte den Flüchtigen nach.
So kam Frau S. die einige Stunden später aus der Bewußtlosigkeit erwachte, mit dem Leben davon. Sie schleppte sich mühsam zum nächsten Ort und mußte fast acht Wochen stationär behandelt werden. Frau S. erstattete Anzeige und gab eine detaillierte Personenbeschreibung der Täter. Aber die Kripo wußte damit nichts anzufangen. Die Kriminalbeamten, mit einer Vielzahl von Anzeigen eingedeckt, hatten gar nicht erst den Versuch unternommen, gründlich nach den Tätern zu fahnden oder den Überfall mit anderen Straftaten zu vergleichen. Das Verfahren war, wie so viele, nach Ablauf der Untersuchungsfrist „vorläufig" eingestellt worden.
Frau S. aber hatte trotz der inzwischen vergangenen Jahre den Mann nicht vergessen, der sie so brutal mißhandelt hat. Sie konnte Rudolf Pleil auf Anhieb identifizieren. So
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