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Der Tod kann mich nicht mehr überraschen

Der Tod kann mich nicht mehr überraschen

Titel: Der Tod kann mich nicht mehr überraschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Vullriede
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rot wurde. »Darum geht es doch gar nicht! Ich meine – ich kann nichts dafür, dass das Geld weg ist. Du wirst es wiederbekommen, Cent für Cent.«
»Was glaubst du eigentlich, wozu ich hier im Krankenhaus liege und diese widerliche Chemotherapie mache? Nur so aus Spaß?! Ich hänge hier über dem Klo und kotze mir die Eingeweide aus dem Hals! Eine einzige dieser Infusionen kostet tausenddreihundert Euro! Meinst du ernsthaft, ich oder die Ärzte würden das machen, wenn es da keine Hoffnung gäbe?«
Kopfschüttelnd, als wollte er Marvins Worte aus seinen Ohren schleudern, umkrallte Basti das Bettgestell. »Ich sagte doch, darum geht es nicht!«
»Du tust, als sei ich ein hoffnungsloser Fall! Ist dir nicht klar, was du da sagst?«
»So habe ich es nicht gemeint!«
»Aber so hast du es gesagt!«
Wieder schüttelte Basti den Kopf. Er ließ das Bettgestell los, hielt sich beide Hände vor die Augen und begann, wie ein kindlicher Trotzkopf zu klagen: »Nein, nein, nein! Du verstehst mich falsch!«, kam es unter seinen Händen hervor. Und wieder: »Nein, nein, nein!« Als wäre sein Bruder zu begriffsstutzig, ihn zu verstehen.
Marvin sank ins Kissen zurück.
»Vierzigtausend Euro! Basti – das ist so viel Geld … ich kann nicht glauben, dass du Mutters Geld verbraten hast!«
Basti nahm die Hände runter und ließ sich auf den Stuhl fallen. Feuchte rote Augen kamen zum Vorschein. »Ich habe es nicht so gemeint, echt!«
»Feuchte Augen … nur wegen des Geldes?«, fragte Marvin.
Schniefend wischte Basti mit Lederärmel und nackter Hand durch sein Gesicht.
»Weshalb sonst?«, sagte er dabei, kaum hörbar.
Dann stand er wieder auf und ging zum Fenster. Wehmütig ließ er den Blick nach draußen schweifen.
»Das Leben ist wertlos, nicht wahr? Ich meine, wozu soll es gut sein? Erst ist da nichts, dann ein Leben, dann wieder nichts.«
Gequält blickte er sich um. »Sag mir, wozu war dein Leben gut?«
»Es ist noch nicht Zeit für mich, Resümee zu ziehen!«
»Aber, Lisa … sie sagte etwas von … nur ein paar ...«
»Ein paar … was?«
»Sie war in Tränen aufgelöst. Es klang, ehrlich gesagt, nicht so, als wenn es viel Hoffnung ...«
Marvin hielt den Atem an, bei dem was Basti sagte. So unterhielt man sich also über ihn.
»Ich bin nicht hier, um zu sterben, Basti! Ich werde diese beschissene Chemotherapie durchstehen und du wirst sehen, ich werde gewinnen! Ich habe noch nie einen wichtigen Kampf verloren!«
Basti presste die Lippen zusammen. »Das will ich gerne glauben.« Seine Stimme zitterte. »Das Wichtigste im Leben sind doch die Beziehungen zu anderen Menschen. Und was mache ich nur, ohne meinen großen Bruder?«
»Ist schon gut«, flüsterte Marvin.
Sie verstummten.
Es blieb noch lange still im Raum. Schließlich hob Basti seine verschmierte Rechte wie zum Indianergruß und ging langsamen Schrittes zur Tür. Dort blieb er stehen, die Klinke bereits in der Hand.
»Du gibst mir das Geld also nicht?«
Fast schon lächelte er.
»Ich weiß es noch nicht.«
»Wann wirst du es wissen? Noch in diesem Leben?«
Er war kein guter Schauspieler.
»Geh jetzt!«, sagte Marvin.

Mit der Wange in sein Kissen gegraben, betrachtete Marvin die mit Blumen geschmückte Urinflasche. Ihre Köpfe, durch den Knick der Flasche dazu gezwungen, schräg zu stehen, blickten ihn vorwurfsvoll an.
Seinem Bruder das Geld für kurze Zeit auszuleihen, war kein Problem für Marvin. Vermutlich würde er seiner alten Mutter damit eine bittere Enttäuschung ersparen und ihn aus herben Schwierigkeiten erlösen. Kaum wahrscheinlich, dass Basti, als Gelegenheitsarbeiter, die Summe je wieder zusammenbekommen würde. Schenken müsste er es ihm. Auch das bedeutete kein wirkliches Problem für Marvin – nur Überwindung. An Geld hatte es nach dem Studium in seinem Leben nie gemangelt.
Basti aber mit ungewohnt feuchten Augen zu sehen, berührte ihn da, wo die Verwunderung aufhörte und das Mitgefühl begann. Er war wohl doch nicht nur gekommen, um Marvin schnell noch um Geld anzubetteln. Nur nicht zugeben, dass er heulen musste! ›Das Wichtigste im Leben sind die Beziehungen zu anderen Menschen‹, hatte Basti gesagt. So viel Tiefsinn aus seinem Mund verwunderte Marvin. Sicher hatte er es irgendwo gelesen. Oder konnte es sein, dass Marvin diesen Tiefsinn in Basti’s Charakter schlicht übersehen hatte? Noch nie hatte er seinen Bruder so von Gefühlen reden hören. Oder doch? Verplappert hatte er sich, sein Bruder. Verplappert über sein Gespräch mit

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