Der Tod kommt in schwarz-lila
seine Seite trat. Die Kollegen aus den Streifenwagen gaben kurz und bündig ihre Meldungen an die Zentrale durch. Von dort aus wurden weitere Streifenwagen in die Gegend beordert. Trevisans Kopfhaut juckte. Über fünf Minuten zogen sich die hektischen Funkmeldungen hin. Die Spannung stieg ins Unerträgliche. Dann endlich kam die erlösende Nachricht. Der Wagen war kurz vor Asel gestellt worden.
Trevisan war voller Ungeduld. Zu dem Polizisten hinter dem Steuer gewandt sagte er: »Wir müssen sofort nach Asel.«
Monika stieg ein und setzte sich im Fond neben den uniformierten Kollegen. Der Fahrer startete den Wagen.
Als sie das Gelände der Tankstelle verlassen hatten, dröhnte erneut eine Stimme aus dem Lautsprecher. Die Zentrale meldete sich sofort.
»Wir haben den Kerl festgenommen. Es ist nicht der Gesuchte. Wiederhole … es ist nicht der Gesuchte. Es ist ein fünfzehnjähriger Junge, der sich den Wagen seiner Mutter unter den Nagel gerissen und eine Spritztour unternommen hat«, tönte es aus dem Lautsprecher.
Trevisan fluchte laut.
*
Auf dem Rückweg fuhren sie über Hohenkirchen. Der Beamte der Polizeistation gab bereitwillig Auskunft über den Einbruch in den Lebensmittelmarkt. Der Täter war vor zwei Wochen in der Nacht von Samstag auf Sonntag über das Dach eingestiegen. Er hatte Brot, einige Wurstdosen, Getränke und mehrere Batterien mitgenommen. Außerdem fehlte ein ganzes Sortiment Kerzen. Als Trevisan nach der Farbe der Kerzen fragte, schaute ihn der Beamte verdutzt an. Er durchsuchte seine Akte nach dem Eintrag.
»Er hat sich ausnahmslos für Kerzen in Schwarz und Lila entschieden«, sagte der Beamte überrascht.
»Das habe ich mir fast gedacht«, antwortete Trevisan.
»Hat das irgendeine besondere Bedeutung?«
Trevisan behielt die Antwort für sich.
Als er wieder neben Monika Sander im Wagen saß, blickte er grüblerisch aus dem Fenster. Sie schaute ihn eine Weile an, doch er schien es nicht zu bemerken. »Was bedrückt dich?«, fragte sie schließlich.
Trevisan wandte sich ihr zu. »Ich glaube, wir hören bald wieder von ihm«, antwortete er leise.
W ANGERLAND J ULI 2000
28
Es war kurz nach neun Uhr abends, als der alte Mann das Haus verließ. Es war seine Zeit. Seit der Pensionierung hatte er Probleme mit dem Einschlafen. Der ausgedehnte Abendspaziergang hatte schon Tradition. Außerdem brauchte Herakles Auslauf. Der Hund war nun schon fast sieben Jahre alt.
Heute früh hatte Gustav Lüdke schon befürchtet, auf seinen Spaziergang im Hafengebiet verzichten zu müssen, sein Knie hatte infernalisch geschmerzt. Aber jetzt hatte er es ohne Probleme über die Müllerstraße bis zum Nordhafen geschafft. Am Kurpark waren ihm noch Menschen begegnet, doch hier am Hafen war es ruhig und einsam geworden.
Er ließ Herakles von der Leine. In der Stadt ging das nicht. Herakles war sein ganzer Stolz, ein prämierter Dachshund, ein Teckel. Vor ein paar Tagen hatte Herakles wieder einmal eine Hundeschau gewonnen. Gustav Lüdke hatte das Bild aus der Zeitung ausgeschnitten und zu den anderen an die Wand gehängt.
An der Hafenmauer bog er links ab und ging den kleinen Trampelpfad an den stillgelegten Bahngleisen entlang.
Es war Juli geworden, bald hatte Anna Geburtstag. Es war ein runder, ihr Sechzigster. Er hatte sich für sie etwas Besonderes einfallen lassen. Sie hatte es verdient. Schon lange wünschte sie sich eine Reise nach Venedig. Morgen würde er noch einmal im Reisebüro vorbeischauen. Für sie würde er die Strapazen dieser Reise auf sich nehmen. Er hasste die südliche Hitze und erinnerte sich nur ungern an den Urlaub am Gardasee vor sieben Jahren. Anna hatte es genossen, doch er hatte jeden sonnigen Tag verflucht. Er war nun einmal ein Nordlicht. Kälte und Wind war er gewohnt. Damals, als er noch zur See gefahren war, hatte er nie eine Erkältung gehabt. In diesen beiden Wochen am Gardasee hatte er sich die Lunge aus dem Leib gehustet.
Zwei Wochen Venedig. Insgeheim hatte er etwas Angst davor. Doch es war für Anna. Sie hatte immer nur Rücksicht auf ihn nehmen müssen. Nun würde er ihr ein Geschenk machen, für alles, was sie für ihn getan hatte, für alles, was sie durch ihn ertragen musste.
Mittlerweile war es dunkel geworden, so dass er nur noch ein grauer Schatten in der Schwärze der hereinbrechenden Nacht war. Er hatte das Ende der Bahnlinie erreicht. Das Ufer des Nordhafens lag nur wenige Meter entfernt. Es wurde Zeit für den Nachhauseweg. Er schaute zurück. Die
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