Der Tod kommt in schwarz-lila
zögernd.
»So, warum denn nicht?«, hakte seine Vorgesetzte nach.
»Es ist nur ein vager Verdacht, dass er sich auf Wangerooge aufhalten könnte«, erklärte Trevisan mit ruhiger Stimme. »Lediglich der Mord an Gabler ist in meinen Augen ein schwaches Indiz dafür. Ich bin überzeugt, er lebt nicht wirklich im Wangerland. Er hat hier in der Gegend keinen eingetragenen Wohnsitz. Er haust hier irgendwo. Mit einem freiwilligen Gentest werden wir ihn nicht erreichen. Er bleibt einfach in seinem Versteck.«
»Wenn wir so viel über ihn wissen, warum haben wir ihn dann noch nicht?«
Ein bissiger Unterton schwang in ihrer Stimme. Trevisan zuckte mit den Schultern.
»Er scheint uns immer einen Schritt voraus zu sein«, bemerkte Oberstaatsanwalt Brenner.
»Das würde ich nicht sagen«, wandte Trevisan ein. »Er verfolgt ein Ziel. Unbeirrt. Er hat nur den Vorteil, dass wir nicht wissen, was er als nächstes vorhat. Doch irgendwann werden sich unsere Wege kreuzen.«
»Wann wird das sein?«, fragte Antje Schulte-Westerbeck. »Wie viele Leichen wird es noch geben? Wir können uns keine weiteren Toten leisten. Bald beginnt die Hauptsaison. Die Gäste werden unserem Landstrich fernbleiben, wenn sie sich hier nicht sicher fühlen können. Jeden Tag erhalte ich unzählige Anrufe. Ich weiß schon gar nicht mehr, was ich sagen soll. Wir müssen etwas unternehmen.«
»Wir überprüfen derzeit alle leer stehenden Gebäude in der Region«, sagte Trevisan. »Die Polizeidienststellen sind informiert. Er muss irgendwo schlafen und sich verstecken. Monika Sander und Till Schreier koordinieren die Aktion.«
Brenner nickte.
»Brauchen Sie noch Männer?«, fragte Schulte-Westerbeck.
Trevisan schüttelte den Kopf. »Die Schutzpolizei unterstützt uns bereits. Wir arbeiten mit den örtlichen Polizeidienststellen zusammen. Die Beamten wissen, welche Objekte in ihrem Zuständigkeitsbereich in Frage kommen.«
»Dann kann ich nur hoffen, dass uns Ihre Aktion weiterhilft. Trotzdem schlage ich vor, einen Gentest im Auge zu behalten«, schloss die Polizeichefin die Unterredung.
Oberstaatsanwalt Brenner blickte auf die Uhr. Eilends erhob er sich. »Entschuldigen Sie, aber ich habe noch einen wichtigen Termin«, sagte er, ehe er den Raum verließ. Trevisan erhob sich ebenfalls.
»Herr Trevisan, ich möchte gerne mit Ihnen reden«, hielt die Chefin ihn zurück. Er setzte sich wieder auf den Stuhl. Anke Schulte-Westerbeck lief unruhig auf und ab.
»Trevisan«, sagte sie schließlich. »Ich war ungerecht zu Ihnen. Ich habe überzogen reagiert. Dafür möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen. Sie sind ein hervorragender Beamter. Ich habe Ihre Methoden angezweifelt, aber es geschah unter dem Druck der Ereignisse. Ich muss mich erst noch daran gewöhnen, dass nicht mehr alles wie im Ministerium glatt und nach Plan verläuft. Bitte, lassen Sie uns die vergangenen Wochen vergessen.«
Sie ging auf Trevisan zu und reichte ihm die Hand. Trevisan war sprachlos. Zögernd erhob er sich.
Was hatte sie vor? Welche Taktik hatte sie sich nun wieder ausgedacht? Er griff nach ihrer Hand und blickte in ihre Augen. Trevisan spürte, dass sie es ehrlich meinte. Als er das Büro verließ, hatte er ein gutes Gefühl.
Auf dem Weg zu seinem Zimmer traf er auf Monika Sander. »Wie sieht es aus?«, fragte Trevisan.
»Till und Alex brüten über der Landkarte. Wir haben unzählige Rückmeldungen von den Polizeidienststellen aus der Gegend. In der Nähe der Nordsee gibt es einige Ferienparks mit kleinen Bungalows. Es liegt viel Arbeit vor uns. Was machst du jetzt?«
»Ich habe einen Termin beim Arzt. Ich hatte in den letzten Tagen Schmerzen. Paula hat gesagt, wenn ich nicht gehe, dann fesselt sie mich ans Bett und holt den Arzt nach Hause.«
Monika lächelte. Als Trevisan weitergehen wollte, sagte sie zu ihm: »Was ist, wenn wir ihn auf diese Art und Weise nicht kriegen?«
»Dann müssen wir uns etwas anderes überlegen.«
»Was?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Die folgenden Tage vergingen mit endlosen Durchsuchungen und unzähligen Befragungen. Und langsam stellte sich Trevisan die Frage, ob Monika Sander nicht recht hatte. Hatte der Wangerland-Mörder schon alle seine Opfer getötet, war er längst auf immer und ewig verschwunden?
*
Der Juni neigte sich dem Ende zu. Der Wind trug wieder dunkle Wolken von Westen heran. Der gestrige Tag hatte sonnig und warm begonnen, doch gegen Mittag hatte es geregnet. Sie hatten bei Waddewarden eine Feriensiedlung durchsucht.
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