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Der Tod kommt wie gerufen

Der Tod kommt wie gerufen

Titel: Der Tod kommt wie gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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histologische oder radiografische Strukturanalyse, Bewertung des Stickstoff- oder Aminosäurengehalts, Bomben-C14-Analyse, Berechnung der Fetttransgression, des Karbonat- oder des serologischen Proteingehalts, Reaktion auf Benzidin oder antimenschliches Serum.
    Ich würde die Rollassel und das Puppengehäuse zwar an den Entomologen schicken, bezweifelte aber, dass dessen Untersuchung viel bringen würde. Sie könnten ja aus der Kesselfüllung stammen und erst lange nach dem Tod des Mädchens in den Schädel gewandert sein.
    Der Bomben-C14-Test war eine Möglichkeit. Diese Untersuchung könnte zeigen, ob der Tod, ungefähr, vor oder nach 1963 eingetreten war, dem Jahr des Teststopps für atmosphärische Atombombenversuche. Aber ausgehend von der Knochenqualität bezweifelte ich, dass das PMI länger als fünfzig Jahre sein konnte. Außerdem würde Larabee bei den gegenwärtigen Budgetbeschneidungen kaum Geld für einen solchen Test herausrücken.

    Ich schaltete eine Stryker-Säge ein, entfernte ein kleines Knochenquadrat aus dem rechten Scheitelbein und steckte es in einen Ziploc-Beutel. Dann zog ich einen zweiten rechten Backenknochen und steckte ihn ebenfalls dazu. Auch wenn wir kein Geld für einen C14-Test hatten, brauchten wir die Proben vielleicht für eine DNS-Sequenzierung.
    Danach füllte ich den Rest der Kästchen meines Fallformulars aus.
    PMI: fünf bis fünfzig Jahre.
    TA: unbekannt.
    Sehr gut vorstellen konnte ich mir Slidells Gesichtsausdruck, wenn ich ihm das berichtete. Ich freute mich nicht sonderlich auf dieses Gespräch.
    Entmutigt wandte ich mich den Nichtmenschlichen zu.
    Nun denn. Ziege und Huhn.
    Beide Schädel wiesen noch Reste vertrockneten Fleisches auf. Ich fand einige Larven und Puppengehäuse im Schädelgewölbe und in den Gehörgängen der Ziege.
    Bereits am Dienstag hatte ich Proben von dem Huhn entnommen und wusste deshalb, dass ich dort auf die Hauptader gestoßen war. Ausgewachsene Fliegen. Larven. Der Kadaver hatte sogar einige Käfer und ein paar sehr große Schaben enthalten. Ich musste erst noch die Antwort des Entomologen abwarten, aber ich hatte keinen Zweifel, dass dieses Huhn in den letzten paar Monaten vor seinen Schöpfer getreten war.
    Nun wandte ich meine Aufmerksamkeit dem großen Kessel zu.
    Zuerst schoss ich Fotos. Dann stellte ich eine Edelstahlwanne ins Waschbecken, platzierte ein Sieb darüber, legte eine Gesichtsmaske an und fing mit einer Kelle an zu schaufeln. Die Erde rieselte mit leisem Zischen durch die Maschen. Bald hüllte mich ein erdiger Geruch ein.
    Eine Kelle voll. Drei. Vier. Ein paar Kieselsteine, Schneckenschalen und Insektenteile sammelten sich auf dem Sieb.

    Nach zwölf Kellen spürte ich im Kessel Widerstand. Ich legte die Kelle weg und grub mit der Hand weiter. Nach wenigen Sekunden hatte ich eine verschrumpelte Masse von etwa fünf Zentimetern Durchmesser freigelegt.
    Ich legte das Fundstück auf den Rollwagen und ertastete es behutsam mit den Fingern.
    Die Masse war eingeschrumpft und doch schwammig.
    Eine dunkle Vorahnung klopfte an mein Hirn. Was ich unter meinen Fingern spürte, war organisch.
    Während ich Erdkrumen ablöste, erschienen Details. Furchen. Wirbel.
    Erkenntnis.
    Ich fummelte an einem Stück mumifizierter grauer Substanz herum.
    Meine Neuronen schossen mir unwillkürlich einen Namen ins Bewusstsein.
    Mark Kilroy.
    Ich schob ihn beiseite.
    Das menschliche Gehirn ist etwa 1400 Kubikzentimeter groß. Das Ding konnte mit nur einem Bruchteil davon aufwarten.
    Ziege? Huhn?
    Plötzlich ein grausiger Gedanke. Ein Lappen eines menschlichen Gehirns?
    Das war eine Frage für Larabee.
    Nachdem ich meinen Fund in eine Tüte gepackt und beschriftet hatte, wandte ich mich wieder dem Kesselinhalt zu.
    Und machte die nächste beunruhigende Entdeckung.

6
    Zuerst dachte ich, es wäre ein Heiligenbild, ein erbauliches Massenprodukt, wie es von katholischen Gläubigen verwendet wird. Meine Schwester Harry und ich sammelten diese Bildchen als
Kinder. Die Kärtchen, etwas größer als eine Kreditkarte, zeigen Heilige oder biblische Szenen und liefern dazu ein passendes Gebet. Die Guten versprechen Verzeihung, eine Verkürzung der Sühnezeit im Fegefeuer für den Mist, den man auf Erden angestellt hat.
    Aber es war kein Heiligenbild. Als ich es aus seiner Plastikhülle zog, erwies es sich als ein Porträt, wie man es aus Schuljahrbüchern kennt.
    Es zeigte ein Mädchen von der Taille aufwärts, das an einem Baum lehnte und das Gesicht der Kamera

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