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Der Tod kommt wie gerufen

Der Tod kommt wie gerufen

Titel: Der Tod kommt wie gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Schulfotos aus dem Ordner und hielt es in die Höhe. »Und wer ist das Mädchen?«
    Roseboro sah aus wie ein Mann, dessen Hirn heftig arbeitete. Rang er um Fassung? Um Verständnis? Suchte er nach einer Erklärung? Einem Ausweg?
    »Dieses Mädchen habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Hören Sie, kann ja sein, dass ich versucht habe, bei der Steuer ein wenig zu tricksen, aber mit diesen ganzen Sachen habe ich nun wirklich nichts zu tun. Ich schwör’s.« Roseboros Blick sprang von Slidell zu mir und wieder zurück. »Ich wohne in Wilmington. Seit fünf Jahren schon. Das können Sie nachprüfen.«
    »Darauf können Sie sich verlassen.«
    »Wenn Sie wollen, mache ich sogar einen Lügendetektortest. Sofort. Ich mach ihn sofort.«
    Slidell sammelte wortlos die Fotos ein, legte den Ordner auf sein Klemmbrett und stand auf.
    Ich ebenfalls.
    Gemeinsam gingen wir zur Tür.
    »Und was ist mit mir?«, jammerte Roseboro hinter unseren Rücken. »Was passiert jetzt mit mir?«
    »Machen Sie lieber keine Vorsprechtermine aus.«
    »Was ist Ihr Eindruck?«, fragte ich, als wir wieder in Slidells Büro waren.
    »Er ist ein wehleidiges, kleines Würstchen. Aber mein Bauch sagt mir, dass er die Wahrheit sagt.«
    »Denken Sie an Cuervo?«
    »Oder an die Tante.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wanda starb vor eineinhalb Jahren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Huhn innerhalb der letzten Monate getötet wurde. Ich rufe meinen Entomologen an und frage ihn, ob er sich schon ein vorläufiges Urteil zutraut.«
    »Wenn Wanda sauber ist, dann tippe ich auf Cuervo. Unter der Voraussetzung, dass Roseboro uns nicht auf den Arm nimmt.«
    »Kann ich das Polizeifoto mal sehen?«

    Slidell holte den Ausdruck aus der Akte.
    Die Qualität war wirklich sehr schlecht. Der Mann bestand nur aus Falten und Zähnen, die dichten, grauen Haare waren nach hinten gekämmt.
    »Wenn Cuervo Latino ist, dann würde Santería passen«, sagte Slidell. »Oder dieses andere.«
    »Palo Mayombe.« Ich hoffte, dass es sich nicht darum handelte. Und falls doch, dann hoffte ich, dass es nicht die Spielart von Alfonso de Jesus Constanzo war. »Was ist mit Roseboro?«
    »Ich lasse ihn erst mal sein Mütchen kühlen, dann nehme ich ihn mir noch einmal vor. Angst ist gut, um den grauen Zellen Beine zu machen.«
    »Dann?«
    »Dann lasse ich ihn laufen und mache mich auf die Suche nach Cuervo. Fange mit seinem Handy an.«
    »Und der Einwanderungsbehörde. Könnte sein, dass Cuervo keine Papiere hat.«
    Slidell verdrehte die Augen über meine Wortwahl. »Dass er illegal hier ist, könnte erklären, warum Roseboro nur Barzahlung wollte.«
    »Hat Rinaldi schon angerufen?«
    Slidell kontrollierte seinen Anrufbeantworter und sein Handy und schüttelte den Kopf.
    »Ich gehe jetzt ins Institut«, sagte ich. »Sagen Sie mir Bescheid, wenn Rinaldi was herausgefunden hat. Wenn nicht, dann ist es vielleicht Zeit, mit dem Gesicht des Mädchens an die Öffentlichkeit zu gehen. Ich rufe an, wenn Larabee und ich mit dem Torso vom Lake Wylie fertig sind.«
    »Klingt nach einem Plan«, sagte Slidell.
    Wir wussten nicht, dass ein anderer Plan bereits Gestalt annahm, einer, der sich auf einem tödlichen Kollisionskurs mit dem unseren befand.

15
    Wochenenden bedeuten Lohnauszahlungen und Gelegenheiten zum Saufen. Als Folge davon steigt die Zahl der Streits, Misshandlungen, Missgeschicke und Unglücke von Feierabendbeginn am Freitag bis zur Messe am Sonntag an. Am Wochenanfang kann im Leichenschauhaus Chaos herrschen. Der letzte Arbeitstag der Woche ist dagegen oft sehr ruhig.
    An diesem Freitagvormittag war das nicht der Fall.
    Schon zwei Blocks vor dem Institut wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Auf allen Parkplätzen vor dem MCME und an den Bordsteinen der College und der Phifer standen Fahrzeuge.
    Im Vorbeifahren las ich die Logos. WBTV. WSOC. WCCB. News 14 Carolina.
    Ich fuhr auf den Parkplatz, schaltete in den Parkmodus, sprang aus dem Auto und rannte auf das Gebäude zu. Fernsehteams, Zeitungsreporter und Fotografen blockierten den Vordereingang. Mit gesenktem Kopf und abgestreckten Ellbogen zwängte ich mich durch die Horde.
    »Dr. Brennan«, sagte eine Stimme.
    Ich ignorierte sie und pflügte weiter, jeder Muskel in meinem Körper angespannt vor Wut. Nach heftigem Schubsen und Stoßen von mir und heftigen Flüchen von anderen war ich schließlich durch.
    Boyce Lingo hielt am Treppenabsatz Hof. Wie schon zuvor deckte der Bürstenschnitt mit den Eichhörnchenwangen seine

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