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Der Tod kommt wie gerufen

Der Tod kommt wie gerufen

Titel: Der Tod kommt wie gerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Halswirbel zeigte einen einzelnen Fehlstart von 2,3 Millimetern Breite. Die Schnittoberflächen wirkten einheitlich und fast poliert. An Eintritts- und Austrittsstellen waren kaum Absplitterungen festzustellen.
    Alles deutete auf eine Motorkreissäge hin.
    Nachdem ich die gesägten Wirbel fotografiert hatte, rief ich den Entomologen an, dem ich am Dienstagvormittag die Proben aus dem Greenleaf-Keller geschickt hatte. Er hatte sie bekommen. Und er hatte sie sich angeschaut.
    Er redete von Sargfliegen beim Huhn und leeren Puppenhüllen beim Ziegenschädel. Dann ließ er sich aus über Collembola, Dermestidae und Kakerlaken im Erdreich. Er nannte mir Zahlen und statistische Wahrscheinlichkeiten.
    Ich fragte ihn nach dem Wesentlichen.
    Vorbehaltlich abschließender Bewertungen war das Huhn seiner Meinung nach seit ungefähr sechs Wochen tot.
    Ich skizzierte ihm kurz die Fakten des Lake-Wylie-Falls und sagte ihm, dass eine weitere Probenreihe auf dem Weg in sein Institut sei.

    Er sagte potz Blitz.
    Ich sagte ihm, wir vermuteten eine Leichenablage, wollten aber ausschließen, dass die Leiche aus dem See gekommen war. Er sagte, schicken Sie mir die Plastikplane, in die sie eingewickelt war. Ich versprach es.
    Nachdem ich schnell ein Sandwich verdrückt hatte, machte ich mich daran, Dünnschnitte aus dem Knochenstück zu sägen, das ich der Leiche vom Lake Wylie entnommen hatte. Falls Slidell kein Glück hatte mit den Fingerabdrücken, hoffte ich, dass die Histologie mir helfen würde, die Altersschätzung zu präzisieren.
    Normalerweise ist diese Prozedur extrem mühselig. Mit einem sehr scharfen Diamantblatt sägt man Querschnitte aus dem Knochen, die nur ein Mikron dick sind. Zumindest waren sie das früher. Das Mikron wurde offiziell 1967 von der CGPM abgeschafft, das ist die französische Abkürzung für die Generalkonferenz für Maße und Gewichte, der intergalaktische Rat für diese Einheiten. Das Mikron ist jetzt der Mikrometer. Egal. Der Winzling ist noch immer der tausendste Teil eines Millimeters. Deshalb werden diese Scheibchen Dünnschnitte genannt.
    Die Dünnschnitte werden zwischen Objektträger gelegt und unter einem Lichtmikroskop mit hundertfacher Vergrößerung betrachtet. Und dann fängt man an, Sachen zu zählen.
    Die theoretische Grundlage ist folgende: Knochen ist ein dynamisches Gewebe, das sich beständig repariert und ersetzt. Im Verlauf eines Lebens erhöht sich die Anzahl mikroskopischer Teilchen. Deshalb kann eine Zählung von Osteonen, Osteonfragmenten, Lamellen und Kanalsystemen ein Mittel zur Altersschätzung sein.
    Meine Ergebnisse stützten meine ursprüngliche Schätzung von sechzehn bis achtzehn Jahren.
    Keine Überraschung.
    Aber etwas anderes war eine.
    Beim Zählen fiel mir eine merkwürdige Verfärbung der Havers-Kanäle
auf, den winzigen Röhren, in denen Nerven und Gefäße durch das Knocheninnere laufen.
    Irgendein invasiver Mikroorganismus? Verfärbung durch Erde? Mineralische Ablagerungen? Mikrofrakturen?
    Obwohl ich die Vergrößerung verdoppelte, konnte ich die Irregularitäten nicht zuordnen. Die Defekte konnten Bedeutung haben oder auch nicht. Um sicherzugehen, brauchte ich ein Vielfaches an Vergrößerung. Das bedeutete eine Untersuchung mit dem Abtast-Elektronenmikroskop.
    Ich griff zu meinem Handy und rief einen Kollegen im Optoelektronischen Zentrum am UNCC an. Eine fröhliche Stimme sagte mir, ihr Besitzer sei erst am Dienstag wieder da und wünschte mir ein angenehmes, langes Wochenende.
    Jetzt fühlte ich mich nicht nur müde und frustriert, sondern wieder einmal wie der größte Loser der Welt.
    Ich hinterließ eben eine deutlich weniger fröhliche Nachricht, als ein eingehender Anruf angezeigt wurde. Ich beendete die Nachricht und schaltete um.
    Slidell war an der Vordertür. Und wartete. Ungeduldig.
    Ich schaute auf die Uhr. Mrs. Flowers war schon seit Stunden weg.
    Ich ging in die Lobby und ließ Slidell ein.
    »Dachte, ich sterbe da draußen noch an Altersschwäche.«
    »Ich arbeite an zwei Fällen gleichzeitig.« Auf Slidells Spitze ging ich nicht ein.
    »Haben Sie schon ein Alter für den Jungen vom Lake Wylie?«
    »Sechzehn bis achtzehn.«
    »Schneidewerkzeug?«
    »Motorsäge. Mit kreisförmigem Blatt.«
    »Ja?«
    »Ja.«
    Slidell spitzte die Lippen und zog dann ein Blatt Papier aus seiner Tasche.
    »Habe da was, das Ihnen gefallen wird.«

    Ich streckte die Hand aus.
    Er hatte recht.
    Es gefiel mir wirklich.

16
    Slidell hatte sich einen Durchsuchungsbeschluss

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