Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens
dem Physikraum ab. Mir war flau im Magen.
„Du hast recht“, sagte sie nur. „Danke.“
„Keine Ursache.“
„Aber … warum? Ich hätte nie gedacht, dass … nun …“
„Du in irgendeiner Form wichtig für mich bist?“
„Äh, ja.“
„Du warst zwar immer ziemlich unnahbar, aber doch eine der nettesten Personen an der Schule. Ich finde, das sollte so bleiben.“
Es klingelte bereits zur Stunde.
„Hast du selbst so etwas schon einmal durchgemacht? Ich meine … was ich sagen will … hast du eine Freundin?“
Der Lehrer schaute mich schon mit hochgezogenen Augenbrauen an, also musste ich mich beeilen.
„Ja, die habe ich“, sagte ich, bevor ich kurz die Hand hob, um ihr zuzuwinken und die Tür hinter mir zu schließen. Wer hätte gedacht, dass ich es so schnell bereuen würde, eine Freundin zu haben?
***
Am Samstag konnte ich immer noch nicht so richtig glauben, was ich am Tag zuvor zu Anja gesagt hatte. Ihre Frage nach der Freundin beschäftigte mich eine Weile, aber ich war mit Conny zusammen, Punkt. Und Anja war ohnehin noch nicht reif für etwas Neues. Oder? Ich verwarf den Gedanken.
Ich traf ich mich mit Conny bei ihr zu Hause, wo sie mir ohne Umschweife mitteilte, dass sie jetzt unbedingt ihre Unschuld verlieren wollte. Ihre Eltern waren im Haus, aber das hielt sie nicht davon ab. Allerdings setzte mich dieser Punkt sehr wohl unter Druck. Ihr Vater war eher der beschützerische Typ, mit anderen Worten: Ich könnte ganz schön Ärger bekommen.
Wie gewohnt war Conny äußerst stürmisch. Machte es mich beim ersten Versuch noch an, begann es mich jetzt langsam abzutörnen. Ich hatte ein relativ neues Hemd an, was ich erst zum zweiten Mal trug, und sie zerrte daran herum, als gäbe es kein Morgen. Mit der anderen Hand fummelte sie mir am Schritt, was ebenfalls unbeholfen auf mich wirkte und eher unangenehm als sexy war. Ich versuchte, sie kurz zu unterbrechen, um mir das Hemd abstreifen zu können, aber ihre Lippen hatten sich an meinem Gesicht festgesaugt, als wäre sie ein Oktopus. Dann sah ich aus dem Augenwinkel, wie Thanatos im Raum stand und ernst dreinblickte.
Ich stieß Conny kurz von mir weg, was sie irritierte, und sagte zur Entschuldigung, dass ich kurz aufs Klo gehen müsste. Sie meinte, dass ich das doch hinterher erledigen könnte, und stürzte sich wieder auf mich. Wieder schob ich sie weg.
„Was zum Teufel?“, schimpfte sie.
„Einen kleinen Moment, okay?!“, sagte ich und stand auf. Sie blieb bockig auf dem Bett sitzen.
Ich verschloss die Tür zum Klo hinter mir. Tod wartete bereits. Ich nahm auf dem zugeklappten Sitz Platz und versuchte, meinen Kiefer wieder zu richten, den Conny mit ihren Küssen fast ausgerenkt hatte.
„Du kannst dich nicht einfach mal an Verabredungen halten, oder?“
Tod schien tatsächlich nervös zu sein.
„Ich habe nachgedacht. Und ich kann es nicht länger für mich behalten, also musste ich dich jetzt so schnell wie möglich sehen“, sagte Tod.
„Okay, was gibt’s denn?“
„Nun, die Frage ist etwas schwierig für mich, aber ich weiß nicht, wie ich es besser umschreiben könnte, also sage ich es einfach geradeheraus.“
Stille.
„Ja?“, sagte ich.
„Willst du mein Nachfolger werden?“
Ich war einen Moment vollkommen perplex.
„Äh, was?“
„Willst du meine Tätigkeit als Tod übernehmen?“
Ich wartete auf das Signal, dass dies ein Witz sein sollte.
„Äh, nein?“, antwortete ich schließlich.
„Verdammt. Warum nicht?“
„Ich … ich weiß nicht. Ich bin einfach nur etwas überrascht. Ich meine, ich hab nicht mal gewusst, dass das einfach so geht. Den Tod ersetzen, meine ich.“
„Na ja, es kommt vor.“
„Es kommt vor?“
„Ich war auch nicht immer der Tod. Ich mache das erst seit circa 500 Jahren“, sagte Thanatos.
„Erst?“
„Na ja, ich bin halt noch nicht länger dabei.“
„500 Jahre? Dann warst du gar nicht bei den alten Griechen aktiv? Dein Name ist also nicht Thanatos?“
„Thanatos war nicht mein Name, das ist eher die Bezeichnung für … meinen Beruf, sozusagen. Aber lass uns nicht abschweifen. Die Frage steht noch.“
„Welche Frage?“
„Na ja, ob du die Aufgabe übernehmen willst oder nicht.“
„Nein.“
„Aber …“
„Ich hab’s nicht so mit den Toten. Lebend sind mir die Menschen lieber.“
„Du kennst nicht genug Menschen, glaube ich.“
Sein Blick schien auf einmal abwesend, als schaute er in die Ferne und als würde ihm nicht gefallen, was er da
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