Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens
der Arm unten ankäme, würden meine Mitschüler werfen. Ich schrie laut „Neeeeeeeeiiiiiiiiiiin!“, was für mich im Rückblick so klingt, als wäre es wie im Film, ganz langsam und verzerrt.
Der Arm fiel, die Speere flogen, und ich rannte mitten durch die Reihe der Werfer hindurch den Speeren hinterher.
Als die Speere aufkamen, steckten die meisten im Rasen, und einige lagen einfach nur so herum. Direkt neben mir zuckte einer von ihnen mit leichtem, metallischen Summen, den Kopf in der Erde vergraben. Der Platzwart am anderen Ende schaute zu mir herüber und schüttelte mit dem Kopf. Herr Matte kam sogleich zu mir angerannt.
„Bist du völlig verrückt geworden? Du hättest getroffen werden können!“
Die Blicke der anderen sprachen ebenfalls Bände. Eine voll zurechnungsfähige Person würde diese Blicke niemals spüren müssen. Noch während Herr Matte mich anherrschte, dass ich gefälligst zum Rektor gehen sollte, suchte ich nach Tod, der nirgends zu sehen war.
***
Im Sekretariat des Rektors wartete ich eine ganze Weile und sah der Schulsekretärin zu, wie sie krampfhaft versuchte, beschäftigt zu wirken. Bis heute ist mir nicht klar, was die Schreibkräfte an unserer Schule eigentlich den ganzen Tag machten. Zu dem Zeitpunkt war jedenfalls nur eine da, und irgendwann tauchten der Schulleiter in seiner Jagduniform und Herr Matte im Sportanzug auf.
Im spartanisch eingerichteten Zimmer des Rektors erläuterte Herr Matte, was vorgefallen war. Außerdem wollte er mich mit einem Tadel bestrafen. Der Schulleiter antwortete in seiner üblichen, ruhigen Weise, und ich merkte, dass Herrn Matte das ebenso auf den Geist ging wie mir.
„Wieso … hast … du … das getan … Martin?“, fragte der Schulleiter leiernd und zittrig.
„Ich hatte in der Grundschule ein sehr unschönes Erlebnis, was mit Speerwurf zu tun hatte. Es ist jemand gestorben, und ich befürchtete, dass es wieder passieren würde.“
„Ach du Scheiße“, rutschte es Herrn Matte heraus. „Du bist der Junge, dessen Kumpel bei diesem Gerangel vor ein paar Jahren umgekommen ist.“
Ich nickte nur. Beim Schulleiter fiel der Groschen pfennigweise. Er wollte gerade den Mund aufmachen und fragen, als Herr Matte ihn unterbrach und erzählte, was er vor ein paar Jahren über mich in der Zeitung gelesen hatte.
„Entschuldige, Martin, aber das habe ich nicht gewusst“, sagte er zu mir.
„Ich wollte es ja erklären, aber Sie haben mich nicht gelassen.“
Er zögerte einen Moment. Dann wiederholte er: „Entschuldigung. Ich kann verstehen, weshalb du nicht am Unterricht teilnehmen wolltest. Aber wie eine Furie auf den Rasen zu rennen erschien mir doch etwas übertrieben.“
„Ich hatte befürchtet, dass der Platzwart getroffen werden könnte. Er war am anderen Ende des Platzes.“
„Wie du schon sagtest, am anderen Ende. Wer hätte den denn treffen sollen? Ich kann ja schon froh sein, wenn meine Schüler das Ding ein paar Meter weit schmeißen.“
Ich grübelte einen Moment nach. Das machte natürlich Sinn. Die Speere hätten niemals so weit fliegen können.
„Ich schätze, ich habe überreagiert“, sagte ich schließlich. „Dafür möchte ich mich entschuldigen.“
Herr Matte wandte sich schließlich an den Rektor und sagte, dass wir den Vorfall einfach vergessen sollten. Dieser wimmerte nur eine Antwort, die ich als Einverständnis interpretierte. Wir verließen das Zimmer.
Als ich in der nächsten Pause auf den Schulhof trat, mieden mich meine Mitschüler und warfen mir sonderbare Blicke zu.
Kapitel 12
Beim nächsten Training der DLRG lief ich Conny über den Weg, die sich mir sofort an den Hals warf. Ich erzählte ihr nichts über den Vorfall auf dem Sportplatz. Auf die Frage, warum sie sich nicht meldete, nachdem ich mehrmals versucht hatte, sie anzurufen, erklärte sie, dass sie Stress mit den Eltern hatte, die ihr daraufhin das Telefon weggenommen hatten. Mich beruhigte das etwas, denn ich hatte schon befürchtet, das Intermezzo vom Wochenende hätte sie an unserer Beziehung zweifeln lassen. Sie war aber immer noch sehr interessiert an mir, so sehr, dass sie sich nach dem Training in meine Umkleidekabine schlich und hemmungslos zu fummeln anfing.
Die meisten anderen waren schon weg, und offenbar hatte sie vor, eine schnelle Nummer zu schieben, aber kurz bevor wir loslegten, rüttelte jemand kräftig an der Tür.
„Was ist denn?“, fragte ich, aber niemand antwortete.
„Hallo?“, fragte ich nochmals. Ich öffnete
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