Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)
hatte der Mann, der unter dem Namen Julian Douglas reiste, die ganze Stadt erschlagen und war nun in die rauchenden Ruinen eingezogen, um den Preis seines Sieges entgegenzunehmen. Ein Gedanke, der den Mann lächeln ließ. Im Augenblick sprach er schnell auf Tschechisch in sein Mobiltelefon. Natürlich war er kein Tscheche, ebensowenig wie der Mann am anderen Ende der Leitung. Eine notwendige Vorsichtsmaßnahme. Selbst wenn sie zufällig von jemandem belauscht wurden, der sie verstand, er hätte wenig mehr erfahren, als dass die Geschäfte gut liefen und es nur noch galt, einige lose Enden aufzurollen. Er verabschiedete den anderen Mann gespielt freundlich und klappte das Telefon zu, als jemand in den Raum trat. Ein heruntergekommener Mann Mitte fünfzig in einer vom Regen stark mitgenommenen Lederjacke hielt zielstrebig auf den einzigen belegten Tisch zu. »Mr. Douglas?« Der Angesprochene sah auf und antwortete in beinahe akzentfreiem Dänisch. »Ja, bitte? Mit wem habe ich die Ehre?« Der ältere Mann fingerte eine verschlissene Dienstmarke aus seiner Lederjacke. »Kommissar Sven Jorgensen. Mordkommission.« Jorgensen zog sich ungefragt einen der Stühle heran und ließ sich dem seltsamen Engländer gegenüber nieder. Der neue Tatort war ihm auf den Magen geschlagen, und auch die Spur, die er jetzt verfolgte, war vermutlich eiskalt. Der Mann, der mit ihm am Tisch saß, war der einzige Sommergast, der noch immer in der Stadt weilte. Das war eine traurige Feststellung und machte den Mann vermutlich zu einem Verrückten, aber ganz und gar nicht verdächtig. Er war ja überhaupt erst angereist, als sechs von inzwischen acht Morden bereits geschehen waren. »Mutig von Ihnen, hier zu übernachten. Schauen Sie keine Nachrichten?« »Mutig? Nein. Geschäft ist Geschäft.« Der Engländer grinste schief. »Der Killer ist ein Risiko, aber mein Boss bringt mich ganz sicher um, wenn ich nicht hier bleibe.« »Britischer Humor, hmm?« »Was davon übrig ist.« Der Mann hob das Weinglas. »God Save the Queen.« Der Polizist war längst verschwunden, doch der Mann, der sich Julian Douglas nannte, hatte immer noch Mühe, das Lachen zu unterdrücken. An Tagen wie diesen liebte er seinen Beruf. Jeder neue Job war wie ein Schachspiel. Einen Tag noch oder zwei, dann konnte er dieser Stadt wieder den Rücken kehren. Nur noch ein paar lose Fäden aufrollen.
Fünfundzwanzigster August.
Arne saß der Schreck immer noch tief in den Knochen. Die Polizei war bei ihm zu Haus gewesen. Natürlich, er studierte hier, mehrere Opfer stammten aus dem Umfeld der Universität. Es lag nahe, die wenigen Studenten zu befragen, die vor Ort lebten. Außerdem hatte ihm der Meister ja aufgetragen, die Waffe und die Ausrüstung weit von seiner Wohnung entfernt zu verbergen. Und dennoch hatte ihn der Polizist überrascht. Er war sich sicher, dass der Polizist irgendetwas bemerkt hatte. Doch das war vorbei. Endlich vorbei. Der Meister würde herkommen. Er hatte es versprochen, ein letztes Opfer noch, und dann würden sie von hier verschwinden. Er hatte sich mit acht Schüssen selbst befreit, und jetzt würde er von allem, was ihn noch zurückhielt, fliehen. Nur noch ein Schuss. Er war weit aus dem Stadtkern herausmarschiert, in einen kleinen Wald, auf der der Stadt abgewandten Seite des Fjordes. Hier lag auch ein kleiner Campingplatz, genau wie alle Hotels verwaist, selbst das kleine Kassenhäuschen war menschenleer. Die Lichtung am Fjord war genau da, wo der Meister es ihm beschrieben hatte. Er ließ den Sack von seiner Schulter gleiten und begann erneut, sein Gewehr zusammenzustecken.
Der Mann hatte Mantel und Hut an diesem Vormittag gegen eine moosgrüne Regenjacke getauscht, hatte die Kapuze tief in sein Gesicht gezogen. Von der Position auf dem Dach des Kassenhäuschens hatte er Arne klar und deutlich sehen können. Kein schlechter Schütze der Junge, aber ein völliger Spinner. Zu labil, um dauerhaft nützlich zu sein. Und zu unzuverlässig, um ihn einfach dem Strafvollzug in die Hände spielen zu können, ohne selbst in die Ermittlungen verwickelt zu werden. Der Mann hasste es, selbst Hand anzulegen. Er wartete ein, zwei Minuten, bis Arne im Unterholz verschwunden war, dann ließ er sich von dem flachen Dach gleiten. Er zog seine Handschuhe fest, griff unter die Jacke und zog die halbautomatische Makarov hervor. Er kontrollierte die Ladung der russischen Pistole und schraubte den Schalldämpfer auf.
Jorgensen rauchte der Schädel. Das
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