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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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im Bahnhof abgeholt. Und Sie haben eine Mappe mit Dokumenten erhalten, für die Sie siebzig Euro bezahlt haben.«
    »Wer sagt das?«
    »Irina.«
    »Wo ist sie?«
    »Bei mir. Es geht ihr gut.«
    Der Alte atmete tief durch und stand auf. Mit dem Hörer in der Hand ging er in dem dunklen Salon auf und ab. »Was wollen Sie?«
    »Wenn Sie einverstanden sind, dann tauschen wir.«
    »Kommen Sie sofort hierher«, sagte Galvano aufgeregt. »Und bringen Sie Irina mit.«
    »Immer mit der Ruhe«, die Frau am Telefon lachte sogar. »Ich bin keine Anfängerin. Sie haben die Polizei im Haus und die Carabinieri. Und vermutlich wird auch Ihr Telefon überwacht.«
    »Die Polizei? Woher wollen Sie das wissen?« Galvano wurde böse.
    »Ich weiß es, das genügt. Kommen Sie morgen früh Punkt fünf Uhr dreißig zur Viehverladung im Alten Hafen, Molo 0, und bringen Sie alles mit. Sie warten vor der Ladeluke des libanesischen Viehfrachters. Haben Sie mich verstanden?«
    Galvano nickte stumm. Sein Gaumen war wie ausgetrocknet.
    »Ich habe gefragt, ob Sie mich verstanden haben?«
    »Bringen Sie Irina mit?« fragte er.
    »Wenn Sie versuchen, mich aufs Kreuz zu legen, bekommen Sie die Kleine nicht. Und wenn irgendwo nur ein einziger Polizist zu sehen ist, erst recht nicht. Geben Sie acht, ich habe das gesamte Gelände unter Kontrolle. Morgen um fünf Uhr dreißig.«
    Galvano hörte nur noch ein Klicken, dann war die Leitung tot. Er hielt noch immer den Hörer in der Hand, während er dem Zivilbeamten erklärte, was vorgefallen war.
    Der Mann nahm das Mobiltelefon und rief seinen Vorgesetzten an.
    »Ich weiß Bescheid«, sagte Canovella. Er hatte das Gespräch in seinem Büro mitgehört, so wie Laurenti in der Questura. »Unternehmen Sie nichts. Bleiben Sie dort und schärfen Sie Galvano ein, sich ruhig zu verhalten. Wir wissen, woher das Telefonat kam. Die Kollegen sind schon unterwegs.«
    *
    Dasitzen und Warten, wie Laurenti das haßte! Nur er und Pinas leere Pizzaschachtel waren im Büro zurückgeblieben. Um diese Zeit arbeitete in der ganzen Stadt kein Pizzaservice mehr. Nebenan raschelte Marietta mit dem Papier auf ihrem Schreibtisch und schien die Dinge zu erledigen, die sie in den letzten Tagen vernachlässigt hatte. Pina war auf dem Dach von Galvanos Haus postiert, ein Carabiniere bei Galvano in der Wohnung. Der hatte den Koffer geöffnet und mitgeteilt, daß er bis oben hin mit Geldscheinen angefüllt war. Zweihunderttausend Euro, frisch gebügelt. Dann erhielt er den Befehl, das Licht in der Wohnung zu löschen und zu warten. Sgubin meldete sich alle paar Minuten per Funk, nur um mitzuteilen, daß sich nichts tat. Der Staatsanwalt hatte sich bald wieder verabschiedet und war zurück in sein Büro gegangen, wo er die ganze Nacht erreichbar sein wollte.
    Laurenti konnte nichts tun. Um halb zwei stand er von seinem Schreibtisch auf und sagte Marietta, daß er über Funk und Mobiltelefon erreichbar sei. Er stellte seinen Wagen auf den Rive beim alten Fischmarkt ab und ging zu Fuß zur Via Diaz, wo er nach Sgubin Ausschau hielt. Er entdeckte ihn erst, als der sich mit einem Zischlaut bemerkbar machte. Laurenti staunte. Sein Assistent lag auf der Ladepritsche eines Ape, wie die dreirädrigen Lieferwagen hießen, auf die man unglaubliche Mengen an Material laden konnte und trotzdem immer eine Parklücke fand. Sgubin hatte sich unter einer Schicht leerer Zementsäcke versteckt und sah aus wie ein gepudertes Cornetto.
    »Versteck dich«, flüsterte er. »Duck dich weg. Sie sind da.«
    Laurenti ging in die Hocke. »Wo?«
    »Kurz bevor du aufgetaucht bist, haben sie sich an der Haustür zu schaffen gemacht und sind reingegangen. Ich nehme an, sie tauchen gleich auf dem Dach auf und steigen zu Galvanos Balkon herunter.«
    »Weiß Pina Bescheid?«
    »Das Zwergküken antwortet nicht.«
    »Scheiße. Ich geh rauf«, fluchte Laurenti.
    »Nein, bleib da. Ich bin mir sicher, daß Pina auf der Lauer liegt.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Sie hat mir vorhin gesagt, daß sie ihr Gerät abschaltet.«
    »Blöde Kuh«, murmelte Laurenti. Was glaubte diese Zwergin eigentlich, wie man sie erreichen konnte, wenn es klemmte? Doch er kam nicht dazu, sich weiter aufzuregen. Auf dem Dach passierte etwas. Sie hörten Ziegel unter groben Schritten krachen. Dann ein metallenes Geräusch, als schlitterte ein Gegenstand aus Eisen über das Dach, dann eine kurze Stille und ein Schuß. Laurenti rannte los. Er drückte alle Klingeln auf einmal und verschwand kurz

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