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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Notizblock, der neben dem Telefon lag. In ihrem Blick lag noch immer Skepsis.
    Während sie schweigend zuerst die Suppe und dann die Pasta aßen, saß Branka etwas abseits vom Tisch. Die Übersetzerin hatte für einen kurzen Moment Mut gefaßt und gefragt, um was es ging. Doch Brankas finsterer Blick brachte sie zum Schweigen. »Ich darf während der Aktion nicht darüber reden«, war die einzige Auskunft, die sie erhielt.
    »Sie braucht einen Arzt«, sagte Nina und zeigte auf die Taubstumme. »Und ich auch.« Sie rieb sich den Nacken.
    »Später. Zeigen Sie Irina das Schlafzimmer. Sie muß sich ausruhen«, befahl Branka, nachdem die Frau die leeren Teller abgeräumt hatte.
    Ein paar Zeichen, und Irinas Gesicht hellte sich auf. Branka folgte den beiden, ließ im Schlafzimmer die Rolläden herunter und führte die Übersetzerin zurück in die Küche. Die Frau zuckte zusammen und wehrte sich kurz, als Branka sie stumm auf den Stuhl drückte, ihr erneut die Fesseln anlegte und ihr den Knebel in den Mund schob. Dann löschte sie das Licht in der Küche, schloß die Schlafzimmertür ab und verließ lautlos wie eine Katze das Haus.
    *
    Marco hatte sich eine Ausrede zurechtgelegt, um an diesem Abend eine Stunde früher von der Arbeit wegzukommen. Er wollte sich mit den anderen auf der Piazza Ponterosso treffen und von dort aus losziehen.
    Jeder von ihnen hatte einen bestimmten Bezirk zu beackern, den sie sorgfältig ausgetüftelt hatten. Die Innenstadt und die strategischen Punkte in den Außenbezirken waren genau aufgeteilt.
    Es würde eine leichte Übung werden heute Nacht, und vergnüglich dazu. Sie mußten sich nicht großartig verstecken und konnten rasch ihr Zeichen hinterlassen. Wenn alles gut lief, dann erreichten sie die höchste denkbare Wahrnehmung für ihre Aktion, und ihr Label gelangte vielleicht zu Kultstatus, zumindest in der Stadt.
    Stefania Stefanopoulos hatte sich gerne bereit erklärt, ihnen zu helfen, und sie war sogar nach Klagenfurt gefahren, um bei Freunden die Aufkleber drucken zu lassen. Es war besser, eine Druckerei im Ausland damit zu beauftragen. Selbst die Rechnung hatte Signora Stefania aus der eigenen Tasche bezahlt, weil die Jungs zuwenig Geld hatten. Als die alte Dame aber in einem schwarzen Overall auftauchte, als wäre sie eine Piratenbraut, und ein schwarzes Tuch um den Kopf gebunden hatte, verdrehten sie verstohlen die Augen. Alte Leute machen sich gern mal zum Narren, das konnte er auch an seinen eigenen Eltern beobachten. Aber was die alte Dame angezogen hatte, war ein Ding. Wie eine Guerillakämpferin sah sie aus. Mucca Pazza!
    Die Aufkleber lagen im Kofferraum ihres Wagens, der tief auf der Hinterachse hing. Marco und seine Freunde staunten nicht schlecht, als sie die vielen Kisten sahen.
    »Wie viele hast du denn drucken lassen?« fragte er vorsichtig und schaute sich einen der postkartengroßen Aufkleber an. Auf blauem Fond war eine Kuh mit Sonnenbrille und Kalaschnikow zu sehen. »Vergeßt mich nicht«, stand darunter, im gleichen Gelbton wie die Sterne der EU, die dem Rindvieh um die Hörner kreisten.
    »Fünfzigtausend. Mehr paßten nicht ins Auto. Ich hoffe, das reicht. Aber man kann sie jederzeit schnell nachdrucken« sagte sie stolz.
    »Na hoffentlich«, sagte einer von Marcos Freunden. Als sie die Aktion beraten und durchkalkuliert hatten, waren sie zu dem Schluß gekommen, daß sie schon mit zweitausend genug zu tun hätten.
    Sie verabredeten, sich stündlich anzurufen, streiften Latexhandschuhe über, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, und zogen los. Die Griechin machte sich zu Fuß auf den Weg, die andern nahmen die Motorroller. Mucca Pazza, venceremos!
    *
    »Pronto.« Galvano nahm schon nach dem ersten Klingeln ab. Er saß im Dunkeln auf dem Sofa und hatte das Telefon neben sich. Im Sessel vor ihm hatte sich ein Zivilbeamter der Carabinieri breitgemacht. Er war schwarz gekleidet und trug die Pistole in einem Halfter über seinem T-Shirt. Sie hatten kaum miteinander geredet, nur angestrengt in die Dunkelheit gelauscht, bis das Telefon läutete. Nur an der Glut der Zigaretten erkannten sie einander.
    »Galvano?« fragte eine Frauenstimme.
    »Ja, mit wem spreche ich?«
    »Das ist nicht wichtig. Hören Sie gut zu. Sie haben etwas, das mir gehört und das ich gerne wiederhaben möchte. Und zwar bald.«
    »Und was ist das?«
    »Das Geld und die Dokumente.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.«
    »Sie haben heute einen Aktenkoffer von der Gepäckaufbewahrung

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