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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Canovellas unterbrochen. Laurenti legte das Gespräch auf den Lautsprecher.
    »Der Koffer«, sagte Canovella. »Warum haben wir nicht daran gedacht, als du hier warst? Galvano hat mich soeben angerufen und gesagt, daß es ihm trotz Werkzeug nicht gelingt, ihn zu öffnen. Ich habe einen Mann in Zivil geschickt, der sich mit diesen Dingen auskennt.«
    »Geld, sonst nichts«, sagte Laurenti. »Oder was glaubst du, weshalb alle hinter dem her sind?«
    Auf leisen Sohlen war Staatsanwalt Scoglio hereingekommen. Keiner hatte ihn bemerkt, weil alle drei wie gebannt auf das Telefon starrten, aus dem Canovellas Stimme klang. »Ich will sofort darüber informiert werden, was in dem Koffer ist«, sagte Scoglio.
    Laurenti drehte sich erstaunt um, sah den Staatsanwalt und deutete auf einen Stuhl. Scoglio schob die leere Pizzaschachtel weg, die vor ihm auf dem Tisch lag, und gab Laurenti ein Papier, das er mitgebracht hatte. Der Kommissar warf einen kurzen Blick darauf. Nach einem halben Leben im Polizeidienst erkannte er solche Schreiben von weitem. »Der Staatsanwalt ist jetzt da. Wir haben die Genehmigung zur Überwachung von Galvanos Telefon.« Dann verabredeten sie, daß Canovella seinem Mann die Anweisung geben sollte, bei Galvano zu bleiben und in einer halben Stunde die Lichter zu löschen.
    Nur ein Problem konnten sie nicht lösen: Die vereidigte Übersetzerin des Gerichts blieb unauffindbar, und der Staatsanwalt erkundigte sich bereits bei den Kollegen in Udine, Venedig und Padua nach Ersatz.
    *
    Branka hatte Irina in einem Taxi zu dem Haus der Übersetzerin gebracht. Da sie nicht wollte, daß Irina sah, wie sie die Übersetzerin zurückgelassen hatte, mußte die verängstigte Taubstumme im Flur warten. Immer wieder klingelte das Telefon, während Branka die an einen Küchenstuhl gefesselte Frau losband und ihr einschärfte, weder zu antworten noch zu fliehen. Sie schlug ihre Jacke so weit zurück, daß die Frau die Waffe sehen konnte und mit aufgerissenen Augen nickte. Sie war einer Ohnmacht nahe.
    »Ich brauche Ihre Hilfe. Machen Sie keine Dummheiten«, sagte Branka. »Morgen sind Sie frei.«
    Die Übersetzerin hob erstaunt die Brauen und rieb sich die Handgelenke und den Nacken. Sie hatte erbärmliche Kopfschmerzen, die während ihrer Gefangenschaft stärker geworden waren. Sie verstand die Welt nicht mehr. Diese Frau hatte sie mit der Waffe bedroht, gefesselt und geknebelt, und jetzt bat sie um Hilfe?
    »Irina ist draußen. Wir werden heute Nacht hier bleiben«, sagte Branka. »Erschrecken Sie nicht. Sie wurde schlimm zugerichtet. Verarzten Sie das Mädchen und machen Sie etwas zu essen. Versuchen Sie nicht, sich mit ihr in Gebärdensprache auszutauschen. Nur wenn ich Sie darum bitte. Ansonsten lassen Sie die Hände unten.«
    »Wer sind Sie?« fragte die Frau mit dünner Stimme.
    »Geheimdienst. Es tut mir leid, daß ich Sie fesseln mußte, aber ich hatte keine Zeit für lange Erklärungen«, log Branka. Sie sah der Übersetzerin an, daß sie ihr nicht glaubte. Sie führte Irina herein, und die beiden Frauen fielen sich um den Hals. Sie krallten sich aneinander, als wollten sie sich für den Rest der Tage nicht mehr loslassen.
    »Das reicht.« Branka trennte sie und drückte Irina auf einen Stuhl. »Sagen Sie Irina, daß ich vom Geheimdienst bin.« Wieder klingelte das Telefon ohne Ende. Die Frau schaute sie fragend an. »Vergessen Sie das Telefon. Übersetzen Sie.«
    Irina antwortete mit ihren Zeichen und fand kein Ende.
    »Was hat sie gesagt?« fragte Branka und stellte sich zwischen die beiden.
    »Sie hat erzählt, daß Sie sie befreit haben und ihre Peiniger in der Küche lagen, als wären sie tot. Arbeiten Sie wirklich für den Geheimdienst?«
    »Hier sind Sie sicher. Wenn Sie das Haus verlassen, können wir für nichts garantieren. Verarzten Sie jetzt Irina.«
    Die Dolmetscherin stellte einen Topf mit Wasser auf und gab Brühwürfel hinein.
    »Haben Sie nichts anderes?« herrschte Branka sie an. »Wie heißen Sie überhaupt?«
    »Nina«, sagte die Frau. »Eine heiße Brühe beruhigt die Nerven. Nachher mache ich Spaghetti. Ich habe nichts anderes im Haus.«
    Solange die Brühe vor sich hin köchelte, bestrich Nina die schlimmsten Wunden auf Irinas Körper mit Salbe. Wenn dieser Alptraum einmal vorbei war, mußte ein Arzt sie behandeln.
    »Geben Sie mir Galvanos Nummer«, sagte Branka und hoffte, daß Nina sie nicht durchschaute. Die Leute vom Geheimdienst wissen immer alles. Die Frau riß einen Zettel von einem

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