Der Tod wirft lange Schatten
gestanden hatte. Die Lichter des Golfs und der beleuchteten Molen spiegelten sich im Meer, die Flammen der Essen des Stahlwerks stachen grell in den Nachthimmel. Mia verharrte nur kurz und ging ins Dorf zurück zur Trattoria. Die Wirtin begrüßte sie nicht gerade überschwenglich. Für ein warmes Essen war es schon zu spät. Ein Teller kalter Vorspeisen war alles, was sie Mia noch brachte. Und einen halben Liter Wein. Sie sagte nicht, daß ein Polizist namens Sgubin nachgefragt hatte, an welchen Tagen Mia zu Gast gewesen war. Und auch, wie man im Dorf über die junge Australierin sprach, behielt die Frau für sich. Die Leute sagten, es sei Mias Schuld gewesen, daß Angelo und Calisto sich überworfen hatten. Sie hatte Unglück über das Dorf gebracht.
Mia kaufte noch eine Flasche Wein, bezahlte und ging nach Hause. Sie setzte sich in die Küche, das Licht machte sie gar nicht erst an. Warum mußte ihr Aufenthalt so schrecklich enden? Ihr war elend zumute, hundeelend.
Wahrscheinlich würde auch Rosalia im trauerdunklen Nachbarhaus am Fenster sitzen und herüberschauen.
*
Laurenti hatte einen langen Magen. Er starrte gierig auf die große Pizzaschachtel, die die kleine Pina wie eine Monstranz vor sich her trug, als sie in die Questura kam. Murrend hatte Sgubin seine neue Kollegin in der Via Diaz abgelöst und ins Büro zurückgeschickt. Mampfend saß Pina am Besuchertisch im Büro ihres neuen Chefs und berichtete.
»Es tut mir leid, daß Sie Ihren ersten Arbeitstag in Triest mit Überstunden beginnen«, sagte Laurenti schließlich.
»Wollen Sie auch ein Stück?« fragte Pina, der Laurentis sehnsüchtige Blicke nicht entgangen waren.
»Nein, nein«, sagte Laurenti und winkte ab. »Essen Sie ruhig. Sie müssen Kohldampf haben, und die Nacht wird vermutlich lang.«
Nach der athletischen Frau mit der Lederjacke hatte Pina zwei glatzköpfige Kerle beobachtet, die mehrere Klingeln an Galvanos Haus betätigten und wenig später wieder lautstark fluchend herausgekommen waren.
»Hättest du ihn doch abgeknallt, du Idiot«, hatte der eine geschrien.
»Depp. Dann hätten uns die Bullen gleich hier auf der Straße empfangen. Drecksköter, schwarzer!«
»Was machen wir jetzt?«
»Wir warten, bis der Alte das Licht ausmacht.« Der Mann zeigte auf die beleuchtete Fensterreihe im letzten Stock. »Dann steigen wir übers Dach ein. Bei der Hitze stehen alle Fenster offen. Und dann erledigst du zuerst den Köter. Treib einen Schalldämpfer auf.«
Pinas Bericht war alarmierend. Wer war eigentlich alles hinter Galvano her? Wenn die Glatzköpfe über das Dach einsteigen wollten, mußte ihnen schlagartig etwas entgegengesetzt werden.
»Ich übernehme das«, sagte der Floh. »Falls Sie mich hier entbehren können.«
Sie hörten die Tür zum Vorzimmer. Marietta machte ein Gesicht, in dem die Neugier den Griesgram besiegte. Lange hatte es keinen nächtlichen Einsatz mehr gegeben, und sie war noch nicht so abgestumpft, als daß sie die spannendsten Seiten ihrer Arbeit nicht mehr schätzte. Laurenti faßte in knappen Worten zusammen, was bisher passiert war. Marietta mußte genau Bescheid wissen, denn sie würde heute Nacht die Koordination zwischen allen übernehmen.
»Ich geh aufs Dach«, sagte Pina noch einmal.
Laurenti schaute die kleine Inspektorin zweifelnd an. »Sie sagten, daß es sich um zwei Muskelprotze handelte. Wenn sie zu den Rechtsextremisten gehören, dann kennen sie keine Grautöne. Glauben Sie wirklich...«
Pina war wie eine Detonation vom Tisch aufgesprungen und machte einen Rückwärtssalto, bei dem sie beinahe die Decke des Raumes berührte. Eine Schlagtirade in die Luft folgte, wie man sie aus Filmen mit Bruce Lee kannte. Pizza mußte für diese Frau den gleichen Effekt haben wie Spinat für Popeye.
»Sachte, sachte! Niemand bezweifelt Ihr Können«, sagte Laurenti und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. »Wenn Sie Unordnung machen, haut Marietta Sie um wie nichts.«
Pina setzte sich wieder, als sei nichts geschehen. Trotz ihrer Turnübungen war sie überhaupt nicht außer Atem.
»Was hältst du davon, Marietta?« fragte Laurenti.
»Schick sie hoch«, sagte sie. Die Kleine gewann allmählich ihre Sympathie. »Auf dem Dach ist sie wahrscheinlich unschlagbar.«
»Haben Sie Ihre Dienstwaffe?« fragte Laurenti. Er überlegte, welche Verbindungen es gab zwischen Kampfsport und Intelligenz.
Pina schüttelte den Kopf. »Ich gehe lieber ohne. Das Zeug behindert nur.«
Sie wurden von einem Anruf
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