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Der Tod wirft lange Schatten

Der Tod wirft lange Schatten

Titel: Der Tod wirft lange Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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auch den Anleger entdeckt und sogar den Platz, von dem die beiden Ziegelsteine stammten, die in seinen Manteltaschen gesteckt hatten. Als hätte sich während der letzten 22 Jahre in London nichts verändert. Warum eigentlich war es nicht gelungen, die Sache für immer unter den Tisch zu kehren?
    Laurenti hörte den Erörterungen der Kollegen nur mit einem Ohr zu. Die ganze Geschichte brachte ihn zur Weißglut. Niemand konnte eine Antwort auf seine Frage geben, weshalb bisher kein einziger Journalist oder Staatsanwalt sich bemüht hatte, die Vernetzung in ihrer gesamten Komplexität darzustellen. Und hatte nicht Coppola im letzten Teil des Paten alles so überdeutlich dargestellt, ohne daß ihn jemand verklagte? Das hätte vermutlich zuviel Aufsehen erregt.
    Bis acht Uhr saßen sie zusammen und diskutierten die Zusammenhänge, die ein ins Gefängnis geschmuggeltes Mobiltelefon aufgewirbelt hatte. Die Sache stank zum Himmel, doch noch fehlten Beweise, daß die alten Seilschaften auch darin verstrickt waren. Wer keine Phantasie hat, keine Visionen, kann auch keine Ermittlungen in Tabuzonen vorantreiben. Am Ende aber war das alles nicht Laurentis Aufgabe. Darum mußten sich die Abteilungen für organisierte Kriminalität, die Mafia-Ermittler und die Geheimdienste kümmern. Laurenti müßte sie lediglich über Erkenntnisse informieren, zu denen er zufällig während seiner Arbeit an normalen Morden gelangte. Und das war besser so. Zu viele vor ihm hatten bereits teuer dafür bezahlt, daß sie ihre Nase in diese Dinge gesteckt hatten. Intrigen, Drohungen, Gewalt, bis hin zum tragischen Unfalltod, an dem am Ende viele Zweifel blieben. Und ausgerechnet gestern hatte auch noch Orlando geraten, die Finger von den Geschehnissen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft zu lassen.
    »Es ist Zeit, ins Büro zu gehen«, sagte der Questore schließlich und erhob sich aus seinem blauen Sessel. »Um elf Uhr ist die Pressekonferenz zur aktuellen Kriminalitätsstatistik. Laurenti, seien Sie bitte pünktlich.«
    *
    »Nein, mein Lieber, ich ersticke in Arbeit. Keine Ahnung, wann ich Zeit habe«, sagte Živa am Telefon. Die Verbindung war miserabel und Laurenti mußte zweimal nachfragen, bis er ihre Absage verstanden hatte. Vor zwei Jahren waren sich der italienische Polizist mit ausgeprägtem Familienleben und die unverheiratete, attraktive kroatische Staatsanwältin gefährlich nahegekommen. Sie hatten die Aufforderung zur engeren grenzüberschreitenden Zusammenarbeit vielleicht etwas zu wörtlich genommen und trafen sich seither häufig in den Hotels jenseits der Grenze. Doch seit Wochen ertrank Živa in Arbeit. Sie sahen sich kaum und hörten sich nur noch gelegentlich am Telefon. Bis vor einem Monat war sie es gewesen, die häufig angerufen hatte, aber inzwischen hatte sich die Sache umgekehrt. Und manchmal vernahm er am Telefon nach dem dritten Klingeln einfach nur das Belegtzeichen. Auch er machte es so, wenn er nicht antworten konnte oder wollte. Doch Živa rief nicht einmal mehr zurück. Hatte sie einen anderen Liebhaber?
    »Wir haben einen dicken Fisch im Netz«, entschuldigte sie sich. »338 Kilogramm Kokain, die bei Rovigno von einer Yacht mit dem Schlauchboot zum Hafen gebracht wurden und in ein Auto verladen werden sollten. Deine Mailänder Kollegen haben uns seit ein paar Monaten assistiert.«
    Laurenti wußte nichts davon. Bisher hatten Živa und er solche Informationen stets ausgetauscht. Und auf einmal war die kroatische Staatsanwältin so merkwürdig zugeknöpft. Er fühlte sich ausgeschlossen und war eifersüchtig. Doch Živa ließ ihm keine Zeit, darüber nachzudenken. »Marktwert zwölfeinhalb Millionen Euro. Es wird dich freuen: Das Schiff gehört dem Marineminister, wie wir ihn nennen, deines Freundes Petrovac.«
    »Zakinji?« Das war eine Nachricht! Dann war auch Viktor Drakič nicht weit. Seit Jahren jagte er ihn vergeblich, und obwohl er ihm immer wieder dicht auf den Fersen war, blieb die alte Rechnung zwischen ihnen unbeglichen. Daß die kroatischen Behörden Zakinji gefaßt hatten, konnte auch für ihn wertvolle Informationen abwerfen.
    »Ich halte dich darüber auf dem Laufenden, was er uns erzählt«, versprach Živa. »Aber jetzt muß ich Schluß machen. Ich rufe dich an, sobald es geht.«
    Proteo Laurenti war sich nicht sicher, ob sie seinen Gruß noch gehört oder schon vorher aufgelegt hatte. Unzufrieden startete er seinen Wagen und fuhr durch den dichten Vormittagsverkehr zur Questura.
    Natürlich wußte

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