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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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reich.«
    »Reich genug, um seinen Titel zu kaufen und ihn zur Schau zu tragen, das kostete. Reich genug, um in einem Bordell mit Mädchen, die ein Heiligenbild aufbewahrten oder den Kirchenboden geschrubbt hatten, den Pascha zu geben. Ich weiß nicht, ob er es mit Mädchen hätte aufnehmen können, die die Tische in den Ministerien leckten. Reich genug, um eine Frau zu unterhalten, die ihre Kleider in den Modezeitschriften auswählte. Seine Frau war eine, die am liebsten jede Woche ein neues Brautkleid getragen hätte.«
    Und dann sagte sie mit einer Verachtung, die aus der Tiefe ihrer Seele kam:
    »Rein rechnerisch wäre ich ihn weit billiger gekommen.«
    »Was willst du mir damit sagen? Dass er am Ende ruiniert war? Dass er uns kaum etwas hinterlassen hat?«
    »Nicht ganz.«
    »Was willst du sagen?«
    »Wir hätten keine Not, wenn du eine gesunde Frau wärst. Ich habe mich an mein Versprechen gehalten, mich um dich zu kümmern. So habe ich zumindest etwas Gutes im Leben getan. Aber eine chronisch Kranke braucht Ärzte, jeden Tag Ärzte, und die Ärzte verlangen jeden Tag Geld. Nachtschwestern, und die Nachtschwestern verlangen jede Nacht Geld. Du hast nie eine Krankenversicherung gehabt und deine Kinder auch nicht. Wozu? Es gibt eine Versicherung, die nie ausfällt und einen festen Sitz hat, die Rübenspitze des Mannes. Du konntest wählen und hast gedacht, das bliebe immer so, egal ob du eine Puffmutter oder eine feine Dame bist. Deine Mädchen hatten keine Wahl, aber das war unerheblich. Aber als du in Ungnade fielst, hattest du nicht mal mehr eine Matratze zum Sterben. Nur ich.«
    Mabel legte die Hände auf dem Rücken ineinander und ging ein paar Schritte durch den Raum, als würde sie sie zählen. Auf einmal war sie keine ängstliche Frau mehr, sondern eine wütende anklagende. ›Bei der Polizei muss es auch Frauen wie sie geben‹, dachte Ruth verächtlich, ›und wahrscheinlich sind sie auch noch lesbisch.‹ Sie schloss die Augen, um sie nicht sehen zu müssen.
    »Das heißt, ich habe dich ruiniert.«
    »Das ist die Wahrheit, Ruth, aber das brauchtest du nicht unbedingt zu wissen. Wozu? Ich wollte, dass du als Dame stirbst, wenn auch als Vorstadtdame. Es wäre mir lieber gewesen, wenn du von nichts gewusst hättest, aber jetzt weißt du es doch.«
    Sie blieb stehen, vielleicht weil sie das Geräusch ihrer eigenen Schritte störte. Die Stille im Haus war erdrückend. Durch das Fenster hörte man nicht mal mehr einen Flügelschlag. Doch es gibt eine innere Musik, und Mabel wusste das. Jahrelang hat sie, als sie dalag und an die Decke starrte, nur dank ihrer eigenen Musik gelebt.
    Und jetzt hört sie sie wieder. Es ist die Musik ihres Stolzes und vielleicht die ihrer Scham.
    »Durch mich bist du also eine Dame, Ruth. Obwohl ich zugebe, dass ich dich habe leiden lassen.«
    »Sehr …«
    »Ich habe dich die Hitze spüren lassen, die ich in den Betten spürte, während der Kerl immer dasselbe wiederholte, denn das Vokabular des Mannes beschränkt sich auf fünf Wörter, und wir hätten so gern die Lieder von der Straße gehört. Du hast nicht einmal diese Lieder gehört. Dein Fenster war immer geschlossen.«
    Und dann fügt sie mit belegter Stimme hinzu:
    »Ruth, es war nur gerecht, dass auch du einen Preis bezahlst.«
    Es war das Letzte, was Mabel sagte, den Fuß an der Tür. Sie merkte nicht, dass diese langsam aufging, sie bemerkte nichts, nur den Lufthauch, der plötzlich ihre Wange streifte. Und etwas Metallisches an ihrer Stirn. Der Lauf der Pistole stieß sie ins Zimmer.

41
    »Rein da.«
    Nur ein Flüstern:
    »Rein da.«
    Wusste Mabel es? Wusste sie, dass das, was sie da im Rücken spürte, ein Schalldämpfer war. Wusste Mabel es? Wusste sie, was das bedeutete, dass man sie nahezu geräuschlos töten konnte? Ihr Leben war weniger wert als ein dumpfer Knall.
    Der Mann betrat den Raum und schloss die Tür hinter sich. Mabel hatte zu einer anderen Zeit viele Freier wie ihn, dick und gut gekleidet, hochmütig, fast beleidigend, mit der Selbstsicherheit, die das Geld verleiht und nicht die Erziehung. ›Aha‹ – hätte sie vor vielen Jahren gedacht – ›du vögelst also mit einer Verheißung‹. Ihre alten weißen Tage waren voll von solchen Männern gewesen, Männern mit schwarzen Kirchenhandbüchern.
    »Mach das Fenster zu.«
    Der Befehl war harsch, der eines Mannes, der es gewohnt war zu befehlen. Mabel gehorchte.
    Auch Ruth merkte, dass der Mann es gewohnt war zu befehlen. Früher – als die

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