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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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ihn von hinten überwältigen.
    Blitzschnell drehte er sich um, bereit, sofort zu schießen.
    Nichts.
    Plötzlich blieb sein Blick an einer der Türen im oberen Stockwerk hängen. Durch den Türspalt sah man Licht. Vielleicht hatte die Krankenschwester es angemacht, aber das war unwahrscheinlich. Oder Mabel, dann musste sie dort sein. Also ging er Schritt für Schritt, ohne Schuhe, die Treppe hinauf. Nicht einmal eine Katze hätte so lautlos zur Tür schleichen können.
    Außerdem glaubte er, hinter der Tür leise Stimmen zu hören.
    Leise Stimmen …
    Das genügte Miralles. Er drehte am Knauf, stieß die Tür auf, stand binnen Sekundenbruchteilen im Raum.
    Er hatte die Pistole in Schussposition. Ein Lidschlag hätte ihm genügt, um zweimal zu schießen.
    Er sah, dass Ruth halb aus dem Rollstuhl gefallen war. Mabel stand neben ihr. Sie starrte voller Entsetzen auf einen Punkt hinter David, zu dem Türflügel, der beim Aufstoßen an die Wand geschlagen war.
    David Miralles sah nichts weiter. Er hatte nicht einmal Zeit, sich umzudrehen.
    Der Schalldämpfer bohrte sich in seinen Nacken, schlug kalt gegen das Ohr. Und dann hörte er ein Wort:
    »Willkommen«, sagte Erasmus.
    Zum ersten Mal in seinem Leben saß Miralles in der Falle. Er verstand es nicht. Er war völlig lautlos gewesen, er …
    Die Stimme erklärte es ihm:
    »Das Spiegelbild.«
    »Was?«
    »Das Spiegelbild. Zum Glück für mich war das Fenster geschlossen. Ich habe in der Scheibe gesehen, wie der Türknauf sich drehte. Ich bin immer noch sehr beweglich.«
    Und dann sagte die Stimme:
    »Lass die Pistole fallen. Öffne die Hand und lass sie einfach auf den Boden fallen. Und keine Tricks mit dem linken Arm. Noch bevor du mit dem Finger zuckst, habe ich dir das Hirn weggeblasen.«
    Er brauchte es ihm nicht zu sagen. Miralles wusste es, er war vom Fach. Er starrte voller Angst die beiden Frauen an, wohl wissend, dass er nicht alleine sterben würde.
    Und er öffnete die Hand. Die Pistole fiel mit einem Klack zu Boden, drehte sich wie ein lebendes Tier und blieb vor seinen Füßen liegen.
    Jetzt war wirklich alles verloren.
    Man hörte Erasmus lachen, bevor er sagte:
    »Bestimmt hast du nicht gedacht, dass du hier sterben würdest, du Mistkerl. Und ich hätte nicht gedacht, dass ich je Rache an dem Mistkerl üben würde, der Rache an Omedes geübt hat.«
    Jähe Stille. Die Frauen schienen nicht einmal zu atmen. Die Zeit war zu flüssigem Glas geworden, ganz auf sich selbst konzentriert.
    Und dann die Stimme:
    »Ich habe Omedes nicht umgebracht«, sagte Miralles. »Ich war es nicht.«

42
    Schweigen. Es hing an den Fenstern, den Türen, der Bettwäsche. Es war eine Spur auf der Haut. Ein Schweißtropfen rann über Ruths Stirn.
    Erasmus unterbrach ihn mit einem ungläubigen Lachen.
    »Du enttäuschst mich, Miralles. Wenn du glaubst, das rettet dir das Leben, bist du auf dem Holzweg.«
    »Ich hoffe gar nichts.«
    »Du enttäuschst mich schon wieder«, sagte Erasmus. »Ein Mann sollte im Angesicht des Todes stolz darauf sein, dass er gute Arbeit geleistet hat.«
    »Ich kann nicht stolz sein, denn ich habe es nicht getan.«
    Ungläubigkeit in Erasmus’ Gesicht und auch in dem der Frauen. Nur Miralles konnte es getan haben. Ein Kunstwerk wie Omedes’ Tod konnte nur von einem Künstler des Todes ausgeführt worden sein.
    Erasmus stotterte:
    »Wer … dann?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte David Miralles mit eiskalter Stimme, »und dabei hätte ich ihn zu gern selbst exekutiert. Ich wollte es tun, aber jemand ist mir zuvorgekommen. Tut mir leid.«
    Erasmus’ Stimme brach das Schweigen, das sich wieder über die Wände gelegt hatte.
    »Nun«, sagte er, »das ändert auch nichts.«
    Und er schlang den Finger um den Abzug. Eine einzige, sanfte, zarte Bewegung.
    Da, das Spiegelbild. ›Schon wieder das Spiegelbild in der Scheibe‹, konnte Erasmus gerade noch denken. Im geschlossenen Fenster sah er, wie sich der Türknauf genau in dem Moment drehte, als er abdrücken wollte. Genau wie vorhin, als Miralles hereingekommen war. Die Gefahr war also noch nicht gebannt.
    Erasmus war flink und scharfäugig wie ein Reptil. Sofort drehte er sich um und schoss Richtung Tür. Er wusste, dass er getroffen hatte, denn das Stöhnen war lauter als der Knall.
    »Verdammt!«, sagte Méndez.
    All das hatte sich in Bruchteilen von Sekunden zugetragen, so schnell, dass keine Zeit blieb nachzudenken. Doch Profis denken nicht. David Miralles bewegte den rechten Ellbogen, als die Kugel aus

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