Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman
Erzengel und der Marqués noch nicht schützend die Hand über sie hielten – kamen in ihr Etablissement im armen Viertel hin und wieder reiche Herren, die einmal Arbeiterfleisch kosten wollten, und alle waren wie der. Anzüge, die, gleich wie gut geschnitten, immer zu eng waren, eine leichte Glatze, autoritäres Gebaren. »Ist das alles, was du anzubieten hast? Na ja, dann werden wir es mal probieren.«
Sie hasste diese Kerle.
Zumindest war der Marqués kultiviert, er war sentimental und verliebte sich manchmal in die Mädchen.
Und ihr Hass explodierte, als sie ihm entgegenschleuderte:
»Wenn du diese Scheißpistole an mir ausprobieren willst, mir macht das nichts aus. Mal sehen, ob du den Mumm hast.«
Sterben war das, was ihr am wenigsten ausmachte, und wenn der Eindringling auf sie schießen würde, hätte sie eine Chance zu fliehen. Mabel bewegte sich flink wie ein Tier, oder zumindest war das früher so gewesen. Aber es kam nicht wie erwartet, und der Kerl machte ihre Hoffnung zunichte.
»Ich will nichts überstürzen, du alte Hure« fährt Erasmus sie an, »ich werde dir sogar eine Chance geben. Dein Leben und das der anderen da. Ich will wissen, wo Miralles ist.«
Mabel schloss einen Moment lang die Augen. Ihr war klar, dass der Kerl lügt. Am Ende würde er sie beide töten, weil sie sein Gesicht gesehen hatten. Sie wusste, wenn man ihn verhaftete, würde er nur für einen Tod bezahlen, und alles andere wäre gratis. Deshalb presste sie die Lippen zusammen und schwor sich, kein Wort zu sagen.
»Ich habe eine Frage gestellt«, sagte Erasmus gedehnt, »und ihr habt sie sehr gut verstanden. Wo ist Miralles?«
»Such ihn doch selbst«, fuhr Mabel ihn an, »und wenn du ihn findest, dann pass auf, dann kannst du schon mal die Vaseline bereithalten. «
Sie wusste, dass ihre einzige Verteidigung ihre alte Wut sein würde, die Vorstadtsprache des unterjochten Mädchens.
Und dann fauchte sie:
»Vielleicht gefällt es dir ja.«
Aber wenn sie erwartet hatte, dass Erasmus nervös werden und sie etwas dabei gewinnen würde, dann irrte sie. Erasmus zuckte nicht mal mit der Wimper. Wer nur wegen einer Beleidigung die Nerven verliert, kommt nicht weit. Eiskalt schwenkte er die Pistole zu Mabels Kopf. Und zischte:
»Tut mir leid für dich, Kalenderpuppe. Dabei hast du ein so braves Gesicht.«
Eine kleine Bewegung würde genügen. Man würde nichts hören. Vielleicht bekam es nicht mal die Alte mit.
Also bewegte Erasmus langsam den Finger.
Ein paar Minuten vorher hatte David Miralles das Ohr an die Tür gelegt und sich versichert, dass Eva tief und fest schlief. Es war das Privileg der Jugend. Wenn dich was bedrückt, rettet dich der Schlaf. Und er wollte sie nicht wecken, denn eigentlich gab es keinen Grund.
Oder vielleicht doch. Er hatte Geräusche im unteren Stockwerk gehört, wahrscheinlich von den unbekannten Mädchen, die dort schliefen. Das ganze Haus schien ein einziges Raunen zu sein. Er überwachte ein Fenster, aber man konnte über ein anderes hereinkommen, und von einem Profi erwartet man am wenigsten, dass er sich die ganze Zeit nicht vom Fleck rührt.
Also verließ er das Zimmer, die Pistole schussbereit in der Hand. Eine Runde durch das ganze Haus drehen und die Schwachstellen inspizieren war das Beste, was er tun konnte. Obwohl das Haus so viele Schwachstellen hatte, dass es vielleicht gar keinen Zweck hatte. Wie ein Schatten schlich er über den Flur.
Der Flur war leer, es war derselbe, über den Erasmus gehuscht war und sich gefragt hatte, ob er dort beginnen sollte.
Man hörte das Knarren der verzogenen Türen, der vom Holzwurm zerfressenen Möbel und das Rascheln der Vorhänge im Windstoß.
Miralles bekam eine Gänsehaut.
Ein Windstoß …
Er war nur sehr schwach. Ein anderer hätte ihn vielleicht nicht bemerkt, aber er schon. Er erinnerte sich genau, dass er alle Türen und Fenster geschlossen vorgefunden hatte. Aber von irgendwo musste er ins Haus gekommen sein.
Er überprüfte den anderen Flur, und dort sah er es. Das Fenster war wieder geschlossen worden, mit Sicherheit von innen, aber in der Scheibe war ein rundes Loch, durch das die Hand eines Mannes passte.
Sein Gegner war also schon da. Und vielleicht nicht allein, vielleicht hatte er noch einen Komplizen.
Miralles war nicht mehr jung, aber sein Körper war wie aus Stahl gemeißelt. Mit der Pistole in der Hand schaute er von einer Seite zur andern, ohne ausmachen zu können, wo die Gefahr lauerte.
Vielleicht wollte man
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