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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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Miralles, als er feststellte, dass er im Eifer des Gefechtes einen Fehler gemacht hatte. Er hatte seine Pistole nicht mitgenommen.
    Er lauschte.
    Konzentriert.
    Begierig.
    Wie ein Tier, das versucht, die kleinste Bewegung in der Dunkelheit zu erfassen.
    Währenddessen hatte in diesen alles entscheidenden Sekunden auch Erasmus streng logisch gedacht. Jetzt wo er Miralles nicht mehr von hinten erschießen konnte, blieb ihm nur noch die Möglichkeit zu fliehen. Eine Alternative gab es nicht, denn dieser Mistkerl von Méndez würde jeden Moment hinter ihm die Tür aufreißen. Und Méndez würde einen tödlichen Schuss abfeuern. Er hatte zehn Sekunden, um mit einem Satz die Treppe hinunterzukommen, obwohl er kein Athlet war. Neben der Treppe war die Haustür. Die Dunkelheit. Das Leben.
    Also sprang er.
    Nie, nicht einmal in den besten Betten, war er so in Form gewesen.
    Die Stufen flogen.
    Die Tür, die Tür, die Tür …
    Die letzte Stufe.
    Plötzlich stellt sich ihm jemand in den Weg.
    Eine schöne Frau in einem durchsichtigen Nachthemd.
    Und Erasmus dachte nicht mehr an die Tür, sondern nur noch an die unerwartete Erscheinung des Mädchens.
    Meine hübsche Kleine.
    Kindchen.

44
    Kindchen.
    Erasmus hatte solche Mädchen in abgelegenen Häusern gesehen, wo es einen Schrank und einen Spiegel gab, in Betten, in denen er seine letzte Zuflucht gesucht hatte, in Straßen, die längst einen anderen Namen trugen. Sie waren alle unterschiedlich, alle hatten sie Angst, und keine war so hübsch wie diese.
    Eva Expósito.
    Kindchen.
    Du hättest dich mir nicht in den Weg stellen sollen, kleines Flittchen, du hast den falschen Weg genommen, wie all die anderen. Du hast Schüsse gehört und bist flugs hinausgeeilt mit deiner kleinen Waffe. Das war ein Fehler. Du hättest hier nicht auftauchen und deine Scham, deinen Bauch, deine zu hohen Brüste und deine Liebmädchenaugen vorschieben sollen, meine kleine als Playmate verkleidete Mörderin. Frauen wie du machen immer alles falsch, selbst wenn sie gehorsam sind, und beim ersten Schrei gehen sie ins Bett.
    Erasmus wusste das. Er war im Vorteil.
    Mitten aus dem Schlaf gerissen, von den Schüssen überrascht, hatte Eva nicht daran gedacht, die Waffe zu spannen. Das wollte sie gerade tun, als sie am Ende der Treppe auf ihn stieß.
    Du bist noch ein Lehrling, Kleine.
    Eine Waffe zu spannen, auch wenn man es geschickt macht, bedarf beider Hände und einer Sekunde. Zwischen Evas Fingern hörte man das Klick der Waffe, aber Erasmus hatte seine schon auf sie gerichtet.
    Das Mädchen konnte die Waffe noch heben. In ihren Augen vibrierte der Tod, vibrierte ihre Kindheit, vibrierte die Straße.
    »Dreckskerl!«
    FLAP !
    Erasmus hatte als Erster geschossen.
    Eva Expósitos Gesicht, in dem sich die Augen absurd verdrehten, als wollten sie ein Stück Licht erhaschen, das Licht, das sich auf der Treppe dreht, das letzte Licht des Hauses.
    Und das dritte Auge.
    Die dritte Öffnung zwischen ihren Brauen. Die Pupillen, die plötzlich starr wurden, als hätten sie den letzten Lichtpunkt gefunden. Der sich drehende Körper. Der rote Bluttropfen, der begierig auf die schwarze Scham fällt. Die sich von der Treppe lösenden Füße.
    Erasmus ahnt, dass er keine Kugeln mehr braucht.
    Und sein letzter Gedanke: ›Kindchen.‹
    David Miralles machte schlagartig das Licht an, als er den dumpfen Schuss hörte. Plötzlich begriff er, dass Erasmus woanders sein musste, dass er nicht im Zimmer sein konnte. Die Helligkeit blendete ihn fast.
    In der Tat, das Zimmer war leer, nur ein paar Möbel, Vorboten des Todes. Zwei Tischchen voller Medikamente, ein Stethoskop, ein Krankenbett, ein von der Zeit zernagter Rollstuhl. Da sprang Miralles. Sein Blick war schon an der Tür. Der Aufschlag war so heftig, dass er sie fast mitriss.
    Als er am Rande des Geländers über den Treppenabsatz rollte, trat weißer Schaum aus seinem Mund. Und dieser Schaum schien bis zu seinen Augen zu reichen, denn er sah verschwommen drei Dinge: die Treppe, Eva mit einem Loch in der Stirn, Erasmus’ Gestalt fast an der Tür.
    Aus seiner Kehle drang ein unmenschliches Geheul:
    NEIIIIIN !
    Erasmus’ rechte Hand drehte den Türknauf.
    Die Kugel zerfetzte zwei seiner Finger.
    Der Schmerzensschrei war im ganzen Haus zu hören. Méndez zielte von oben auf ihn.
    »Einmal werde ich mich an die Vorschriften halten, du Schwein. Sie besagen, dass man nicht sofort einen tödlichen Schuss abgeben darf.«
    Méndez lächelte. Es war ein animalisches

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