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Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman

Titel: Der Tod wohnt nebenan Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francisco Gonz lez Ledesma
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Lächeln, das Lächeln der alten Schlange.
    »Und jetzt ein Bein, mein Junge. Du weißt gar nicht, wie leid mir das tut. Man wird aus deinem Knie eine Suppe machen.«
    Méndez legte den Finger um den Abzug. Wie zuvorkommend ich heute bin. Aber es kam keine Kugel aus der Mündung. Méndez kam nicht dazu zu schießen, weil Zehntelsekunden zuvor etwas geschah, womit er im Leben nicht gerechnet hatte. Er sah David Miralles im wahrsten Sinne des Wortes fliegen. Miralles’ Körper verdeckte im Flug den von Erasmus. Wenn Méndez abdrücken würde, musste er den Bodyguard treffen.
    Miralles hatte sich von oben heruntergestürzt. Ein heftiger Sprung, aber er hatte ihn gut abgefangen. Heulend landete er auf der letzten Stufe neben Evas Leiche.
    Er vergrub die Hände in ihrem Haar.
    Seine Lippen suchten die Wunde an ihrer Stirn.
    Er trank ihr Blut.
    Es gibt ein Gesetz im Grunde allen Lebens und dieses Gesetz befindet sich im Mund. Im Mund. Im Mund.
    Der Grund der Wahrheit des Kindes, der Grund der Wahrheit des Toten.
    Seine Augen waren aus den Höhlen getreten, in der Luft schwebte noch der weiße Schaum.
    Erasmus existierte nicht einmal.
    Doch Erasmus war sofort klar, dass er nicht durch den Haupteingang fliehen konnte. Oben stand Méndez mit seiner 45er. Eine von diesen Kugeln würde nicht nur seinen Kopf, sondern eine ganze Wand wegpusten.
    Und die Kugel kam. Aber Erasmus stand nicht mehr am selben Platz.
    Der Schmerz der verletzten rechten Hand drang in Wellen in sein Hirn. Mit dem Gefühl des Todes im Mund zog er seine Kraft aus der Verzweiflung. Und er flüchtete sich an den einzigen Ort, an dem er geschützt war, in den Treppenschacht.
    Dort war das Leben. Vielleicht nur für ein paar Minuten.
    Er hatte schließlich die Pistole fallen lassen müssen.
    Aber er kam nicht weg.
    Oder doch?
    Seine irren Augen sahen Wände. Alles schien zu tanzen wie in einem unwirklichen Raum. An einer der Wände gewahrten sie einen Schreibtisch. Und ein Stück einer Fahne, die aus dem 17. Jahrhundert zu stammen schien. Und ein Bild, auf dem mehrere Unterschichtkinder das Spanien des Hungers grüßten.
    Dort waren die Fragmente des Gestern, eines toten Mannes, eines Marqués.
    Aber kein Ausweg.
    Oder doch?
    Erasmus fragte sich das noch einmal. Sein Blick fiel auf eine Katzentreppe aus mehreren in die Wand eingelassenen Eisenhaken. Daneben verlief ein dickes Rohr, wahrscheinlich der Kabelschacht. Nicht zufällig führten sie unten zu einem kleinen Loch, offensichtlich ein Zugang zum Keller, und oben zu einer Klappe.
    Erasmus’ Verstand funktionierte schneller denn je. Ihm war klar, dass es das Leichteste wäre, in den Keller zu klettern, aber das wäre zugleich auch das Ende. Er wäre eingeschlossen wie eine Ratte, und Méndez würde Schießübungen an ihm praktizieren. Bestimmt kam Méndez schon die Haupttreppe herunter.
    Aber nicht sehr schnell. Nicht in seinem Zustand.
    Das gab Erasmus Zeit, zumindest in der Theorie, die Eisentritte hinaufzugehen und die Klappe aufzustoßen. Im oberen Stockwerk gab es keine Feinde, aber dafür ein Fenster. Von dort in den Garten zu springen wäre ein Kinderspiel.
    Er war kein Kind mehr. Vielleicht war er nie eines gewesen.
    Aber es war seine einzige Chance. Also kletterte er wie ein Affe hinauf, was man ihm gar nicht zugetraut hätte.
    Die Klappe war aus Holz. Wenn sie abgesperrt ist, kannst du nur noch beten, Erasmus. Méndez würde unten das Klageweib geben, dich um Verzeihung bitten und dir derweil in den Hintern schießen.
    Aber die Klappe war nicht abgesperrt. Sie gab nach. Und Erasmus sah über sich die milchig trübe Dunkelheit eines Zimmers.
    Erasmus’ Herz hüpfte vor Freude. Er hatte sich nicht geirrt.
    Im Zimmer angekommen schloss er die Klappe. Dunkelheit. Sonst nichts. Es fiel ihm schwer, sich daran zu gewöhnen. Er sah nur auf der einen Seite das Fenster.
    Das musste das Zimmer sein, in dem Miralles ihn gesucht hatte. Dieser Idiot hatte das Licht ausgemacht, damit die Helligkeit ihn nicht verriet.
    Erasmus seufzte. Na gut …
    Das Fenster.
    Das Fenster …
    Erasmus blutige Finger griffen in die Dunkelheit, nach dem einzigen Ausgang.
    Sie berührten ein Stück Metall. Ein Rollstuhl. So alt, dass der Rost an seiner Haut hängen blieb. Er versuchte, dieses verdammte Teil wegzuschieben, das ihm im Weg stand. Aber es bewegte sich nicht.
    Jemand saß darin.
    Erasmus schimpfte.
    Die Finger schoben.
    Noch mehr Blut. Blut auf einem nach Schweiß riechenden Rock. Auf dürren Beinen. Auf eisiger

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