Der Todesengel von Florenz
aus seinem Wissen Geld schlagen wollte. Das dreckige Stück Papier, das Gekrakel, die vielen Fehler und die plumpen Formulierungen – all das war fingiert worden, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Und kein anderer als der Mörder konnte dahinterstecken. Warum er ihn nicht abgestochen hatte, als er bewusstlos am Boden lag, verstand Pater Angelico nicht. Vielleicht, weil es nicht in seinen Plan und nicht zu seinen anderen Untaten gepasst hätte.
Doch jetzt hielt er sich nicht länger mit derart nutzlosen Spekulationen auf. Es ging um sein Leben! Wenn es ihm nicht gelang, sich schnell von den Fesseln zu befreien und dieser Feuerfalle zu entkommen, dann würde von ihm wohl nichts mehr übrig bleiben, das zu beerdigen sich lohnte. Wenn man denn überhaupt noch Reste von ihm fand. Vermutlich würden sich selbst seine Knochen in der höllischen Glut einer lichterloh brennenden Mühle in Asche verwandeln!
Mein Dolch, fuhr es ihm durch den Kopf, und er schöpfte Hoffnung. Wie gut, dass er die Waffe unter der Kutte trug und sie dem Todesengel verborgen geblieben war. Ich muss irgendwie an meinen Dolch kommen!
Was in seiner Lage leichter gesagt war als getan. Denn wie, in Gottes heiligem Namen, sollte er mit gefesselten Händen unter seinen Habit und an die Waffe kommen?
Er rollte sich hektisch hin und her, strampelte, warf sich auf den Rücken, versuchte, seinen Körper in eine möglichst steile Kerze zu zwingen, und schaffte es endlich, die Beine so gerade in die Höhe zu strecken, dass ihm der Habit bis zur Hüfte herunterrutschte.
»Gelobt sei Gott!«, keuchte er, als sein Dolch einigermaßen freilag. Jetzt musste er sich nur noch schmerzhaft verrenken, um seine gefesselten Hände an den Griff der Waffe zu bringen.
Der Dolch kam aus der Scheide und fiel neben ihm auf den Boden, während das Feuer immer lauter prasselte, die Flammenzungen an den Wänden immer höher stiegen und der Rauch immer dichter wurde.
Hitze und Angst trieben ihm den Schweiß in Strömen aus den Poren. Die einzige Möglichkeit, sich mit der Klinge die Handfessel zu durchtrennen, bestand darin, sich den Dolch mit dem Griffstück zwischen die Fußgelenke zu klemmen, sich so weit wie möglich zu krümmen und dann zu hoffen, dass er sich beim blinden Versuch, sich von der Handfessel zu befreien, nicht an der scharfen Klinge die Pulsadern aufschnitt.
»Herr, gib mir eine glückliche Hand!«, flehte er und führte seine gebundenen Hände zur Klinge. Er schnitt sich, und das nicht nur einmal, aber die Wunden waren oberflächlich. Er konzentrierte sich, presste die Füße zusammen, so fest er konnte, damit der Dolch nicht wieder verrutschte und ihn in den Unterarm stach. Und dann spürte er mit unsäglicher Erleichterung, wie der Druck des Strickes um seine Handgelenke nachließ.
Ein letzter kräftiger Ruck, und seine Hände waren frei. Im nächsten Moment hatte er sich auch von der Fußfessel befreit und sprang auf.
Doch wohin?
Der Teil der Mühle, wo die breite Tür zum Sandweg hinausging, stand in Flammen. Und das galt auch für die Wände rechts und links davon. Dort musste der Verbrecher das meiste Pech ans Holz gestrichen haben. Aber mittlerweile griff das Feuer immer weiter um sich, züngelte hoch ins Dachgebälk und würde ihn in wenigen Minuten von allen Seiten umschlossen haben. Dann war sein Schicksal besiegelt. Der einzige glückliche Umstand war die Tatsache, dass das Dach im Laufe der Jahre, in denen hier niemand mehr Reparaturen vorgenommen hatte, schadhaft geworden war. Den breiten Lücken, die sich dort oben gebildet hatten und nun wie ein Kaminabzug wirkten, verdankte er, dass er nicht schon längst vom Rauch die Besinnung verloren hatte.
Er wich zu der Wand zurück, die auf den Fluss hinausging und noch nicht vom Feuer erfasst worden war. Dabei kam er zu einem Stapel Vierkanthölzer. Schon wollte er einen der Balken packen und versuchen, Wandbretter loszuschlagen, als er den länglichen Holzkasten mit der gleichlangen Tragestange bemerkte, den ein Arbeiter dahinter abgestellt hatte. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen.
Der allmächtige, gnädige Gott hatte ihm einen randvollen Werkzeugkasten geschickt!
Er kippte den Kasten aus, wühlte in dem Werkzeug – und stieß auf ein Stemmeisen. Fast kamen ihm die Tränen vor Erleichterung. Er packte das Werkzeug, presste einen Kuss auf das Eisen und rammte es in einen schmalen Spalt zwischen den Dielen. Aber er merkte schnell, dass er noch längst nicht gerettet war. Die dicken
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