Der Todesengel von Florenz
dass der Todesengel noch einen zweiten Versuch unternahm, ihn aus dem Weg zu schaffen. Deshalb musste er von jetzt an auf Schritt und Tritt wachsam sein und jederzeit einen hinterhältigen Anschlag gewärtigen. Nun würde der Todesengel nicht mehr so leichtes Spiel mit ihm haben wie in der Wassermühle!
Als er sich seinen breiten Ledergurt mit seinem Rosenkranz umschnallte, steckte der Laienbruder Federico den Kopf zur Tür herein. »Seid Ihr so weit, Pater?«
»Wie weit?«, fragte er verwundert zurück.
Nun runzelte Bruder Federico die Stirn. »Hat man Euch denn nicht ausgerichtet, dass der ehrwürdige Vater Euch auf der Stelle zu sprechen wünscht, sowie Ihr gebadet und Euch angekleidet habt?«
»Das hat man mir nachsichtigerweise vorenthalten, wohl um mir nicht den Genuss am Bad zu verderben«, erwiderte Pater Angelico, erweckte durch ein Augenzwinkern jedoch den Anschein, als wolle er seine Bemerkung als harmlosen Scherz verstanden wissen. Wobei Federico wohl manchmal ähnlich unbotmäßige Gedanken hegte, hatten die Laienbrüder bei ihrem Prior doch auch keinen leichten Stand. »Habt Ihr denn eine Ahnung, warum er so ungeduldig auf mich wartet?«
Nur der Anflug eines Grinsens zeigte, dass Bruder Federico auch seine stillen Vorbehalte gegen Vincenzo Bandelli hatte. »Nein, aber ich nehme an, dass es mit dem Zustand zu tun hat, in dem Ihr zurückgekehrt seid.«
Pater Angelico seufzte. »Ja, da werde ich mir vermutlich einiges anhören müssen, weil mir der Umhang davongeschwommen ist und ich ihn trotz aller Suche nicht wiedergefunden habe«, sagte er. Er hatte nämlich bei seinem Eintreffen im Kloster auf die erschrockenen Fragen seiner Mitbrüder erzählt, er habe vor der Stadt eine Abkürzung genommen und sei auf einem schmalen Brückensteg unglücklich ausgerutscht und in das kleine Flüsschen Magnone gefallen, das im Nordwesten an Florenz vorbeifloss.
Natürlich ließ es sich der Prior nicht nehmen, Pater Angelico bei dessen Erscheinen in seinem prächtigen Studiolo erst einmal wissen zu lassen, dass der Verlust einer Cappa – und dann auch noch durch törichte Unachtsamkeit! – wahrlich keine Lappalie sei.
Pater Angelico nahm die Rüge wortlos hin. Er versagte es sich, Vincenzo Bandelli einmal mehr daran zu erinnern, dass er dem Kloster durch seine Arbeit eine Menge Geld einbrachte und die Anschaffung eines neuen Umhangs für ihn daher wohl leicht zu verschmerzen sei.
»Was, in Gottes Namen, habt Ihr überhaupt vor der Stadt zu schaffen gehabt?«, fragte der Prior dann mit einer Mischung aus Misstrauen und Übellaunigkeit.
»Ich bin einem Hinweis nachgegangen, von dem ich hoffte, er könnte dazu führen, unseren seligen Pater Nicodemo und den Namen unseres Klosters von der bösartigen Verleumdung des Mörders reinzuwaschen«, gab Pater Angelico vage zur Antwort. »Denn das war es doch, was Ihr mir aufgetragen habt, nicht wahr?«
»Aber viel scheint Ihr bislang nicht erreicht zu haben«, knurrte der Obere. »Abgesehen davon, dass Ihr eine gute Cappa habt davonschwimmen lassen und es nötig hattet, Euch von unseren Konversen ein heißes Bad richten zu lassen!«
Nun vermochte sich Pater Angelico eine spitzzüngige Erwiderung doch nicht zu verkneifen. »Einen Rosenkranz zu beten und hier im Kloster darauf zu warten, dass die Angelegenheit sich in Wohlgefallen auflöst, ist natürlich einfacher, als üble Gerüchte aus der Welt zu schaffen!«
Vincenzo Bandelli schoss ihm einen bösen Blick zu, zog es aber vor, das Thema zu wechseln. »Da Ihr gerade von der Welt sprecht. Da ist noch eine Sache, von der ich doch sehr hoffe, dass Ihr sie mir erklären und beheben könnt«, sagte er mit einem Ausdruck äußerster Verstimmung.
»Und das wäre, ehrwürdiger Vater?« Pater Angelico hatte nicht die geringste Ahnung, welcher weiteren Verfehlung er sich noch schuldig gemacht haben sollte. Was jedoch nicht viel zu sagen hatte. Denn wenn es um ihn ging und das, was an ihm auszusetzen sein könnte, bewies der Prior eine erstaunliche Erfindungsgabe.
»Dieser … dieser …« Vincenzo Bandelli schienen die Worte zu fehlen. »Dieser empörende Unfug da!« Er deutete mit seinem beringten Zeigefinger an die Wand hinter Pater Angelico.
Ahnungslos drehte der sich um – und starrte sprachlos vor Verblüffung auf das, was wohl sein Kostüm für den Maskenball im Palazzo der Brancoletti sein sollte.
An einem Wandhaken hingen mehrere Kleidungsstücke aus erkennbar edlen Stoffen, darunter eine bauschige, faltenreiche
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