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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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gefaltetes, gerade mal handtellergroßes Schreiben, das mit einem dicken Klecks Siegelwachs verschlossen war.
    Pater Angelico runzelte die Stirn. Das Papier zeigte Spuren von Schmutz, und im Wachs fand sich kein Abdruck eines Siegelrings, der einen Hinweis auf den Absender hätte geben können. »Und wer hat das für mich abgegeben?«
    Der Hausdiener zuckte bedauernd die Achseln. »Ein mir nicht bekannter Bote, Padre. Ein junger Bursche. Seinen Namen hat er nicht genannt.«
    »Schon gut, danke.«
    Der Bedienstete entfernte sich, und Pater Angelico erbrach das Siegel. Er faltete den beschmutzten Brief auseinander und sah, dass der Schreiber das Stück Papier einfach von irgendeinem Bogen abgerissen hatte, statt es mit Hilfe eines Messers sauber vom Rest zu trennen. Mehrere dreckige Fingerabdrücke fanden sich auf dem Zettel. Und die ungelenk auf den Fetzen gekritzelten Zeilen, die von Rechtschreibfehlern nur so wimmelten, passten denn auch zum Äußeren. Dafür hatte es der Inhalt in sich. Der Unbekannte hielt sich nicht mit einer Anrede auf, sondern kam sofort zur Sache:
    Venn ier wizzen volt, vem der krüne Knopp mittem Löven jehöhrt, komt zu Florio Gambinis auvgegebener Wazzermüle! Die ligt oben am Fluzz n Stük vor Cassaceia. Ich vill Gelt vür waz ich weiz! Minesdens ein halben Goltflorien! Komt abba allein! Keinä vaulen Sachen! Ich bin nich blöt und seh venn ier mich reihnlegen vollt! Komt Pungt Angelusleuten! Sonzt bin ich veck! Unt ier get zuärst reihn! Ich kom venn ich veiz, dass ier mich nich reihnlegen vollt. Abba one Gelt sak ich nixs!
    Pater Angelicos Aufregung wuchs mit jeder Zeile. Ein Informant! Jemand, der mitbekommen hatte, wie er Jacopo Forlani und den beiden Brancoletti-Brüdern den grünen Knopf mit dem Löwenkopf gezeigt hatte. Es musste sich um einen Arbeiter oder Bediensteten handeln, der zumindest grobe Kenntnisse im Lesen und Schreiben hatte.
    »Wer will denn etwas von Euch, dass er Euch einen Brief mit einem Boten schickt?«, fragte Bruder Bartolo und äugte neugierig zu seinem Meister herüber.
    Schnell faltete Pater Angelico den Zettel zusammen und steckte ihn weg. »Das braucht dich jetzt nicht zu interessieren. Ich sage es dir später. Mal du hier weiter. Ich muss weg!« Damit griff er auch schon zu seinem Umhang und stürmte zur Tür hinaus.
    Verwundert blickte der Novize ihm nach.
    Pater Angelico wusste in etwa, wo diese Wassermühle lag. Ungefähr eine halbe Meile hinter der Porta alla Croce führte ein Sandweg von der Landstraße zum Fluss und zur Mühle hinunter. Sie war schon seit einigen Jahren nicht mehr in Betrieb. Ein Frachtkahn mit schwerer Ladung hatte bei einer Kollision das Mühlrad zertrümmert. Ob ihr einstiger Besitzer dadurch ruiniert worden war, weil der Flussschiffer ihm den Schaden nicht ersetzt hatte, oder ob dieser Gambini es vorgezogen hatte, mit der Entschädigung etwas anderes zu machen, als die Mühle wieder instand zu setzen, entzog sich seinem Wissen.
    Es war auch nicht weiter wichtig. Wichtig war jetzt allein, dass er schnellstens nach San Marco kam, aus seiner Geldschatulle in der Klosterwerkstatt den halben Florin holte und sich dann beeilte, zu der verlassenen Wassermühle zu kommen. Viel Zeit blieb ihm nicht, wenn er noch rechtzeitig zum Angelusläuten dort eintreffen wollte.
    Aus diesem Grund verwarf er auch den Gedanken, einen Umweg über das Bargello zu machen und Scalvetti Bescheid zu geben. Das hätte zu viel Zeit gekostet. Außerdem konnte er sehr gut auf sich selbst aufpassen. Seinen Dolch trug er ja immer unter der Kutte. Und der Mann war nicht an ihm, sondern an dem halben Florin interessiert. Er lachte spöttisch, als er an die Formulierung ›Mindestens einen halben Florin!‹ dachte. Als würde er aus freien Stücken noch ein paar Soldi oder gar noch einen weiteren halben Florin drauflegen! Viel Erfahrung mit solchen Geschäften schien der Mann nicht zu haben, was wiederum recht beruhigend war. Vermutlich hatte der Bursche mehr Angst vor seiner eigenen Courage, als er sich in Acht nehmen musste!
    Pater Angelico gab nichts darauf, dass ihm mancher ob seiner fliegenden Eile und so einiger Rempeleien böse Blicke und auch Verwünschungen nachschickte. Als er endlich die flussnahe Porta alla Croce hinter sich gelassen hatte und die Landstraße nach Pontassieve vor ihm lag, gab er auch die letzte Zurückhaltung auf und rannte los.
    Herr, lass die Glocken noch nicht zum Angelus läuten! Gib mir noch ein paar Minuten, damit wir endlich

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