Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
Vom Netzwerk:
Stiefel zu werden«, erklärte er. »Ich werde den Abdruck im Gips auf Papier übertragen. Vielleicht stoße ich ja auf den passenden Stiefel, dann wären wir schon ein Stück weiter.« Doch unter Scalvettis skeptischem Blick erschien ihm seine Idee plötzlich nicht mehr ganz so überzeugend.
    Immerhin versuchte der Commissario nicht, sie ihm auszureden. »Na gut, einen Versuch ist es wohl wert«, sagte er, klang aber so, als erhoffe er sich nicht viel davon. »Gebt bloß acht, dass Ihr nichts riskiert und Euch in Teufels Küche bringt!«
    Eher niedergeschlagen begab Pater Angelico sich bald darauf ins Kloster, wo der Sturm seiner Gefühle sofort wieder mit aller Macht über ihn hereinbrach. Er warf sich in seiner kargen Zelle vor dem hölzernen Wandkruzifix auf den Boden und presste die Stirn auf den kalten Stein. Doch er spürte die Kälte nicht, brannte in ihm doch verzweifelte, hoffnungslose Sehnsucht wie ein Feuer. Obwohl er zu wissen glaubte, dass sie ihm nicht gewährt werden würde, betete er um Erlösung.

42
    A m nächsten Morgen hatte Pater Angelico nach einer langen Nacht im Gebet zu einem gewissen Maß an innerer Ruhe zurückgefunden. Er wusste jedoch, dass diese Gefasstheit trügerisch war und es unter der Oberfläche weiterhin brodelte. Deshalb hätte er viel darum gegeben, den Palazzo der Petrucci niemals wieder betreten zu müssen.
    Aber die Arbeit in der Hauskapelle musste weitergehen. Und es brachte nichts, sie unter irgendeinem Vorwand hinauszuzögern. Er hätte Wochen gebraucht, um sich innerlich zu festigen und sich für die nächste Begegnung mit Lucrezia zu wappnen. Nur war das ein Ding der Unmöglichkeit. Was hätte er auch Bruder Bartolo sagen sollen, der darauf brannte, Hand an das nächste Fresko zu legen, ganz zu schweigen von seinem Prior?
    Und so blieb ihm gar nichts anderes übrig, als sich in das Unausweichliche zu schicken und zu hoffen, dass er ihm gewachsen war – zumindest nach außen hin.
    Was er befürchtet hatte, nämlich dass er Lucrezia schon bei ihrem Eintreffen im Haus begegnete, trat denn auch ein. Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt, als er sie mit einem kleinen Büchlein in der Hand durch den Innenhof auf sich zukommen sah.
    »Donzella Lucrezia«, rang er sich mit belegter Stimme einen Gruß ab und neigte respektvoll den Kopf, was den Vorteil mit sich brachte, ihr nicht in die Augen schauen zu müssen.
    Sie jedoch erwiderte seinen Gruß nicht, auch nicht den seines Novizen, sondern ging mit eisiger Miene wortlos an ihnen vorbei, als seien sie Luft.
    Pater Angelico fühlte sich einerseits verletzt, war andererseits aber auch erleichtert. Wenn sie nach seiner gestrigen Reaktion im Beichtstuhl Verachtung für ihn empfand, würde es ihm um einiges leichter fallen, das Feuer, das in ihm loderte, zum Erlöschen zu bringen.
    »Welche Laus ist ihr denn über die Leber gelaufen?«, wunderte sich Bruder Bartolo leise, während sie die Treppe ins Obergeschoss hinaufstiegen. »Sie ist doch sonst die Freundlichkeit in Person.«
    »Wir haben alle unsere schlechten Tage«, murmelte Pater Angelico. »Also zerbrich dir nicht den Kopf über die Grillen und Launen anderer Leute!«
    »Na, Ihr scheint mir heute aber auch mit dem falschen Bein aus dem Bettkasten gestiegen zu sein, Meister«, bemerkte der Novize keck.
    »Pass nur auf, dass dich das Ende dieses Beins nicht so trifft, dass es dir noch lange schmerzlich in Erinnerung bleibt«, knurrte Pater Angelico.
    Bruder Bartolo errötete. »Verzeiht, Meister. Ich wollte nicht respektlos sein. Es ist mir so herausgerutscht.«
    Pater Angelico gab nur ein kurzes Brummen von sich.
    Zu Bruder Bartolos Erleichterung hellte sich die Stimmung seines Meisters jedoch allmählich auf, als sie ihre Arbeit in der Hauskapelle aufnahmen. Auch durfte er wieder selbst zum Pinsel greifen und zeigen, was er gelernt hatte.
    Konzentriert widmeten sie sich dem neuen Fresko, das die Verkündigung des Engels darstellen würde, natürlich in einem toskanischen Garten, und so vergingen die Stunden des Vormittags wie im Flug. Zumindest erschien es dem Novizen so, dem Pater Angelico die Aufgabe übertragen hatte, den Olivenbaum und die symbolträchtigen Vögel zu malen.
    Es war gegen Mittag, aber noch einiges vor dem Angelusläuten, als ein Hausdiener in der Hauskapelle erschien. »Entschuldigt die Störung, Padre«, sagte er höflich. »Aber das ist gerade für Euch abgegeben worden. Ich soll Euch ausrichten, dass die Sache eilt.« Damit reichte er ihm ein

Weitere Kostenlose Bücher