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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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den kostbarsten Stoffen gearbeitet, manche überaus fantasievoll, andere eher exzentrisch.
    Die Frauen, denen das aufgrund ihrer schlanken Figur möglich war, hatten sich als Tempeldienerin, Nymphe, Göttin und Prinzessin verkleidet. Andere waren als Wahrsagerin oder Magierin erschienen, allerdings so mit Juwelen behängt, dass sie fürstlichen Seherinnen glichen. Besondere Aufmerksamkeit erregte deshalb eine junge Schöne, die mit einem Blütenkranz im Haar als wandelnde Rose erschien, an der Seite eines Mannes, der einem korsischen Piraten glich. Dass seine Geschäfte, zu welcher Art von kaufmännischer Piraterie sie auch immer gehören mochten, einen reichen Mann aus ihm gemacht hatten, war seinem Schmuck aus Rubinen und Smaragden deutlich anzusehen.
    Die Männer zeigten bei der Wahl ihrer Kostüme mehrheitlich einen Hang zu Heldenfiguren. Da gab es Göttergestalten wie Zeus, Neptun und Mars, etliche römische Imperatoren mit goldenem Lorbeerkranz in oft schütterem Haar, Turnierritter mit täuschend echt aufgesticktem Harnisch, Astronomen mit Sternbild auf dem Gewand sowie aufwendig ausstaffierte Sultane und morgenländische Würdenträger. Unter den Jüngeren fanden sich zudem verschiedene Versionen von Zauberern und Troubadours mit Papplaute oder -harfe auf dem Rücken. Auch ein zweiter Landsknecht stand hinten in der Menge, allerdings in viel dezenterer Kostümierung. Er trug nur die Farben Schwarz und Weiß. Schwarz waren die Beinkleider, während Bundhose, Wams und der leichte Seidenumhang ein schwarz-weißes Rautenmuster zeigten.
    Einige Selbstbewusste hatten sich dagegen nicht gescheut, als bukolische Schäfer mit Schafsmaske und Wollflocken am Gewand zu erscheinen, als Satyrn oder als Hofnarren mit Glöckchen an der bunten Kappe. Doch wer dem Mönch am besten gefiel, war der dicke kleine Glatzkopf, der sich mit köstlicher Selbstironie als Weinfass verkleidet hatte, auf dem Kopf einen Papphumpen trug und vorn am Gürtel sogar einen Zapfhahn hängen hatte.
    Während sich der Palast immer mehr füllte und sich im Innenhof und oben in den Sälen bald einige hundert Gäste verlustierten, vertrieb Pater Angelico sich die Zeit damit, zu rätseln, wer von den stadtbekannten Leuten sich wohl unter welchem Kostüm und hinter welcher Maske verbarg. Einige waren verhältnismäßig leicht zu erkennen, etwa die Tempeldienerin Antonetta Brancoletti an ihrem herrlich rotblonden Haar; der alte, ergraute Buchdrucker Vespasiano Bisticci, dessen Gewand einem aufgeblätterten Buch glich; zwei Prioren der Signoria, von denen der eine sich durch seine dicke Warze auf der Oberlippe verriet und der andere dadurch, dass ihm an der linken Hand zwei Finger fehlten; der Graf Mirandola fiel durch sein schmales Gesicht und die schulterlange Lockenmähne auf, wie auch einige andere unverwechselbare Körpermerkmale hatten.
    Nach geraumer Zeit trat eine kräftige Gestalt zu ihm, ein Pharao mit einem glitzernden blauen Skarabäus als Augenmaske. Matteo Brancoletti, wie sich sogleich herausstellte, als der Mann ihn ansprach: »Ich hoffe, Ihr amüsiert Euch gut bei mir, Padre!«
    »Wenn denn die Zeit reicht, mich von dem blendenden Glanz zu erholen, für den Ihr in Eurem Palazzo gesorgt habt«, schmeichelte Pater Angelico ihm.
    Der Bankherr lachte wohlgefällig. »Ich weiß, was ich meinen Gästen schuldig bin«, antwortete er geschmeidig. »Seid Ihr denn auch zufrieden mit dem Kostüm, das ich für Euch ausgewählt habe? Ich finde, Ihr wirkt darin recht überzeugend.«
    »Das muss daran liegen, dass mir solch ein Aufzug nicht ganz fremd ist, was Euch natürlich nicht verborgen geblieben ist, Signore«, erwiderte Pater Angelico.
    »Mir entgeht in der Tat wenig von dem, was ein Mann in meiner Position wissen sollte.«
    »Das glaube ich Euch unbesehen. Und das Kostüm erfüllt ja seinen Zweck, auch wenn ich es vorgezogen hätte, nicht mit diesem feixenden Teufelchen vor dem Gesicht herumzulaufen. Es gibt genug echte Teufel in der Welt, wie ich finde«, sagte er und achtete auf das Mienenspiel des Bankherrn.
    Der lächelte fein. »Da habt Ihr wohl recht, Padre. Deshalb ist eine solche Mahnung, wenn auch dem fröhlichen Charakter eines Karnevalsfestes angepasst, jederzeit angebracht. Steht der Teufel nicht immer vor unserer Tür und verlangt Einlass – bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger?«
    Die Bemerkung erschien Pater Angelico höchst verdächtig. Machte Matteo Brancoletti sich über ihn lustig? Es fiel ihm schwer, dem Mann nicht

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