Der Todesengel von Florenz
machen würde, in den Schatten stellen zu wollen«, sagte er. »Aber da Ihr gerade von Nachlässigkeiten gesprochen habt, ehrwürdiger Vater. Wäre es nicht allmählich an der Zeit, dass Ihr uns Mitbrüdern reinen Wein einschenkt über das, was Ihr wohl schon seit geraumer Zeit hinter unserem Rücken mit dem Grafen Mirandola und vermutlich auch mit dem Medici besprecht?«
Der Prior kniff die Augen zusammen. »Wovon redet Ihr?«
»Von Girolamo Savonarola!«
Vincenzo Bandelli zuckte kaum merklich zusammen und sah ihn verblüfft an. »Was soll mit ihm sein?«
»Vieles deutet darauf hin, dass Ihr ihn nach San Marco zurückholen wollt.«
»Und wenn es so wäre, was sollte Euch das kümmern? Derartige Entscheidungen liegen in der Hand der Oberen und des Ordenskapitels«, beschied Bandelli ihn schroff. »Bruder Savonarola hat sich zu einem exzellenten Prediger entwickelt und ist für höhere Aufgaben bestimmt.«
»Dann stimmt es also«, stellte Pater Angelico erbost fest. »Und es kümmert mich eben doch, ehrwürdiger Vater! Denn dieser Mann passt weder zu San Marco noch zu Florenz, und wenn er sich noch so sehr zu einem guten Redner entwickelt hat!«
»Was Ihr nicht sagt!«
»Savonarola ist ein Eiferer der übelsten Art, fast kann man bei ihm von der Besessenheit eines Fanatikers sprechen! Das wird in einer Stadt wie Florenz nicht gutgehen, wie es auch damals nicht gutgegangen ist, falls Ihr das vergessen haben solltet!«, sagte er beschwörend und wusste doch, dass er bei seinem Oberen kein Gehör finden würde.
Vincenzo Bandelli bedachte ihn denn auch mit einem abfälligen Blick. »Aus Eurem Mund könnte man diese Wertung glatt als ein Ehrenzeugnis für unseren Mitbruder Girolamo nehmen! Denn im Gegensatz zu manch anderem in unserem Konvent ist er mit einer tiefen und wahrhaftigen Gottesberufung gesegnet und versteht sich auf die reine Lehre und Verkündigung des heiligen Evangeliums! Er hat in den vergangenen Jahren zu einer überragenden Rednergabe gefunden und wird den Konvent von San Marco zu einer neuen Blüte geistlichen Lebens führen. Mehr ist dazu nicht zu sagen.«
Die Bestätigung seiner dunklen Ahnung, dass er es wohl bald mit diesem geistigen Finsterling als Prior zu tun haben würde, war ein schwerer Schlag für Pater Angelico. »Nun, wenn das von den ehrwürdigen Oberen schon alles so entschieden und mit dem Medici abgesprochen worden ist, dann darf ich Euch ja wohl zu Eurer baldigen Ernennung zum Ordensgeneral beglückwünschen«, sagte er bissig. »Dann wird der feine Purpur eines Kardinals gewiss auch nicht mehr lange auf sich warten lassen.«
Zornesröte stieg dem Prior ins Gesicht, als habe Pater Angelico seine geheimsten Wünsche und Pläne durchschaut. Wütend funkelte er ihn an. »Das ist alles! Ihr könnt gehen! Aber vergesst Eure zweite Haut nicht!« Mit verkniffener Miene wies er auf das Kostüm und wandte sich dann demonstrativ ab.
Pater Angelico raffte die Sachen zusammen, ging zur Tür und murmelte – gerade noch laut genug, dass Vincenzo Bandelli es hören konnte: »Es sind doch immer die hohlen Ähren, die den Kopf hochhalten.«
Der Prior zog es vor, so zu tun, als habe er es nicht gehört.
Bedrückt ging Pater Angelico, sein Kostüm schwer über dem Arm, den kalten Gang hinunter, und je länger er darüber nachdachte, dass er bald einen neuen Prior haben würde, desto düsterer wurden seine Ahnungen. Nicht auszuschließen, dass er Vincenzo Bandelli eines Tages noch nachtrauerte, wenn Girolamo Savonarola hier erst das Zepter übernommen hatte und sich daranmachte, mit seinem übersteigerten Hass auf jegliche Art von Sünde und seinem Abscheu gegenüber der Welt San Marco seinen Stempel aufzudrücken.
45
P ater Angelico brachte die Kleidung für den Abend in seine Zelle und suchte dann Scalvetti im Bargello auf. Es wurde Zeit, ihm zu berichten, wie man ihn in die verlassene Wassermühle gelockt und dann versucht hatte, ihn zu ermorden.
Der Commissario hörte es mit Bestürzung. »Teufel auch, da könnt Ihr dem Allmächtigen und der seligen Gottesmutter danken, dass Ihr dieser Todesfalle mit heiler Haut entkommen seid!«
»Das habe ich auch reichlich getan, bei meiner Seele«, versicherte der Mönch, und tatsächlich hatte er auf seinem Weg zurück in die Stadt ein Dankgebet nach dem anderen gesprochen.
»Ich habe schon von dem Feuer gehört«, sagte Scalvetti dann. »Mir wurde berichtet, dass Gambinis Wassermühle vollständig abgebrannt ist. Dass nichts mehr zu retten
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