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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Seitentraktes führte eine mit Schnitzarbeiten reich verzierte Eichentür in die Hauskapelle. Gerade als er sie öffnete, wurden unten im Vestibül des Palazzo Stimmen laut. Freudige Rufe und Gelächter drangen gedämpft zu ihm in die Kapelle. Eine der Stimmen, die dunkle und besonders laute, war zweifellos die von Marsilio Petrucci.
    Der Raum hinter der Eichentür maß ein gutes Dutzend Schritte in der Länge und halb so viele in der Breite. Die Decke war als Tonnengewölbe errichtet, und am hinteren Ende befand sich die abgerundete Nische, in der einmal der Hausaltar der Petrucci stehen würde. In die rechte Längswand waren zwei Rundbogenfenster eingelassen, die Pater Angelico für die Größe der Hauskapelle zu klein geraten schienen. Sein geschulter Blick für Symmetrie und harmonische Raumaufteilung wurde jedes Mal, wenn er den Raum betrat, irritiert.
    Die den beiden Fenstern gegenüberliegende Längswand war bis unter die Decke eingerüstet. Schwarze Markierungsstriche unterteilten die Fläche in sieben Felder. In diesen Feldern sollten einmal die Fresken der sieben biblischen Szenen zu sehen sein, die der Wollfabrikant aus dem reichen Bilderschatz der Heiligen Schrift für diese Seite seiner Kapelle ausgewählt hatte. Dass darunter unbedingt auch die Geschichte vom Einzug der Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland sein musste, hatte Pater Angelico nicht überrascht. War das doch die einzige signifikante Stelle in der Bibel, an der Reichtum ohne jeden Hauch von Anrüchigkeit oder gar Verwerflichkeit erwähnt wurde. Kein Wunder, dass sich die Medici diese Szene in großer Pracht in die Hauskapelle ihres Palastes hatten malen lassen.
    Bis auch hier, im Haus der Petrucci, ein derartiges Fresko an der Wand prangte, würde allerdings noch viel Wasser den Arno hinunterfließen. Bisher war nur der Untergrund an der Wand in mühsamer Arbeit geglättet, und allein das erste Feld nahe der Tür, das den Sündenfall von Adam und Eva im Paradies zeigen würde, trug Rauputz. Weiter war er nicht gekommen. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er hier auch keine Hand mehr gerührt, doch diese Hoffnung hatte er endgültig begraben müssen.
    Vor dem auf Rollen laufenden Gerüst standen im Licht der Rundbogenfenster zwei trespoli, einfache Arbeitstische auf Schragen. Auf dem einen herrschte ein wildes Durcheinander von Maurerkellen, Stemmeisen, Drahtbürsten, Spachteln und anderen Gerätschaften, die vonnöten waren, um das nackte, raue Mauerwerk zu glätten und zu verputzen. Auf dem anderen lag das große Skizzenbuch mit den Entwürfen für die einzelnen Fresken.
    Mit einem tiefen Seufzer, der aus seinem Innersten kam und mit Erinnerungen schwer beladen war, trat er näher, zog das Skizzenbuch zu sich heran und schlug es auf. Seine Hand zitterte leicht, als er die großformatigen Seiten umblätterte.
    »Wenn Ihr die erste Szene sucht, so werdet Ihr sie in Eurem Buch nicht finden«, sagte hinter ihm unvermittelt eine ihm nur zu vertraute Frauenstimme. »Das Blatt habe ich gerettet, falls Ihr das vergessen haben solltet.«
    Pater Angelico zuckte zusammen und fuhr herum. Sein Herzschlag beschleunigte sich, und seine Kehle war von einer Sekunde auf die andere wie ausgetrocknet.
    Es war, wie er befürchtet hatte. Lucrezias Gegenwart brachte ihn aus dem inneren Gleichgewicht, um das es seit einiger Zeit auch ohne ihre Einwirkung schon schlecht genug bestellt war.
    »Donzella Lucrezia!« Er empfand seine eigene Stimme als fremd und verräterisch gepresst. Allein ihren Namen auszusprechen erschien ihm wie das Eingeständnis seiner geheimen, mühsam in Schach gehaltenen Sehnsüchte und Wünsche, die in so verstörendem Gegensatz zu seinen Gelübden standen.
    »Beim Wunder des wiedererweckten Lazarus, Ihr habt meinen Namen ja doch nicht vergessen«, rief sie theatralisch und klatschte scheinbar entzückt in die Hände, während sie auf ihn zuschritt. »Dabei wäre ich jede Wette eingegangen, dass er Euch längst entfallen ist – wie auch so einiges andere!«
    Er fühlte, wie ihm ihr Spott das Blut schneller durch die Adern jagte und bis in die Wangen trieb. »Wie ich sehe, seid Ihr bei so guter Gesundheit und in Euren Äußerungen so ungestüm, wie ich Euch in Erinnerung hatte.« Was nicht nur eine äußerst einfallslose Bemerkung war, sondern auch eine maßlose Untertreibung, erschien Lucrezia ihm doch noch bezaubernder, als er sie in Erinnerung gehabt hatte. Und dabei wären jene inneren Bilder schon Grund genug gewesen, Beichte

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