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Der Todesengel von Florenz

Der Todesengel von Florenz

Titel: Der Todesengel von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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stehen. Das Gebäude imitierte mit den rauen Bossen im unteren Teil der Fassade und dem nach oben hin immer kunstvoller gestalteten Mauerwerk den Palast der Medici, das steingewordene Symbol fürstlicher Macht und Vorbild für alle anderen Erbauer eines Palazzo dieser Größe. Doch während der Prunk der Medici auserlesenen Kunstverstand offenbarte, hatte Marsilio Petrucci sich auf die reine Zurschaustellung von Reichtum beschränkt – innen wie außen.
    »Teufel auch!«, entfuhr es Pater Angelico. Kurz erwog er, umzukehren und sich schnellstens aus dem Staub zu machen, bevor jemand aus dem Haus ihn bemerkte. Doch er widerstand diesem ersten Impuls, so stark er auch sein mochte. Ihm war klar, dass er die Arbeit, die in der Hauskapelle auf ihn wartete, nicht länger vor sich herschieben konnte. Seine Schonfrist war abgelaufen, wie Vincenzo Bandelli ihm nachdrücklich zu verstehen gegeben hatte. Und in dem Punkt hatte sein Prior bedauerlicherweise recht. Es war an der Zeit, sich dem Unausweichlichen zu stellen – was auch hieß, sich wieder in die gefährliche Nähe von Lucrezia zu wagen.
    »Herr, gib mir die Kraft«, murmelte er, als er durch die Tür im rechten Flügel des Hofportals trat. »Für das eine wie das andere!«

19
    W elch eine Überraschung, Padre!«, begrüßte ihn Silas Makaris, der Majordomus griechischer Herkunft mit falschem Lächeln. Pater Angelico hatte den hochnäsigen Kerl einst ob seiner Impertinenz schneidend zurechtgewiesen und ihn an seine Stellung als besserer Lakai erinnert; das hatte der Mann ihm nie verziehen. »Und ich fürchtete schon, Ihr könntet noch immer zu angegriffen sein, um unserem Haus die Ehre zu geben.«
    »Ich bin sicher, in deiner tiefen Sorge um mein Wohlergehen hast du so manche schlaflose Nacht verbracht, Silas«, gab Pater Angelico zurück.
    »Ich wage es nicht, Euch mein Herz zu öffnen und zu zeigen, wie sehr es mich bewegt, Euch wohlauf zu sehen und in unserem Haus begrüßen zu können«, konterte der Majordomus und deutete eine höhnische Verbeugung an.
    Pater Angelico bedachte ihn mit einem kalten Lächeln. »Jeder Tag hat seine Plagen, und meiner hat schon genug gesehen. Deshalb tut Ihr wahrlich gut daran, mir den Blick in diese Grube zu ersparen.«
    Es kostete den Majordomus sichtlich Mühe, Haltung zu wahren und darauf nicht mit einer neuerlichen Unverschämtheit im Gewand vermeintlicher Höflichkeit zu reagieren. »Wünscht Ihr den Signore zu sprechen, der über Euer unerwartetes Erscheinen zweifellos …«
    »Du brauchst ihn nicht zu belästigen, Silas«, fiel Pater Angelico ihm ins Wort. »Ich bin nur hier, um oben kurz nach dem Rechten zu sehen und mir einen Überblick zu verschaffen, welche Malutensilien noch da sind und welche fehlen. Den Weg in die Hauskapelle finde ich ohne deinen Beistand.«
    »Und dessen seid Ihr Euch nach der langen Zeit Eurer … Genesung sicher?«
    »So sicher, wie ich mich an deiner Liebenswürdigkeit erfreue«, erwiderte Pater Angelico. »Jetzt weiß ich wieder, was mir all die Zeit gefehlt hat!«
    »Bei Gott, es geschehen wahrlich noch Zeichen und Wunder, selbst in Klöstern! Wer hätte das gedacht«, giftete der Majordomus. »Aber nun lasst Euch nicht länger aufhalten, auch wenn ich nichts lieber täte, als weiterhin mit Euch zu plaudern. Aber manche Freuden kostet man besser in kleinstmöglicher Dosis – der Verträglichkeit halber, wenn Ihr versteht, was ich meine.« Er wies in Richtung der Steintreppe, die vom lichtdurchfluteten Innenhof mit seinem mächtigen Säulengang hinauf in die oberen Stockwerke führte, als erteile er ihm huldvoll die Erlaubnis. Dabei wusste er genau, dass Marsilio Petrucci dem Dominikaner uneingeschränkten Zutritt zu seinem Palazzo erteilt hatte und der Malermönch weder einer Erlaubnis noch der Begleitung eines Hausdieners bedurfte, um sich in die Hauskapelle zu begeben.
    »Du bist so unschwer zu verstehen wie ein kläffender angeketteter Hofhund!«, konterte Pater Angelico, ließ ihn stehen und erklomm die Treppe zu der umlaufenden Galerie, durch deren von Säulen getragene Rundbögen man hinunter in den Innenhof mit dem plätschernden Springbrunnen schauen konnte. Die aufdringlich schweren, vergoldeten Wandleuchter und die Wandnischen, die mit wahllos zusammengekauften antiken Büsten und Statuen vollgestellt waren, würdigte er keines Blickes. Hier sprach allein das Geld und nicht der Kunstverstand eines passionierten Sammlers und Liebhabers seltener Preziosen.
    Am Ende des schmalen

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