Der Todesengel von Florenz
wandte sich an seine Hausgäste und sagte leutselig: »Signori, erlaubt mir, Euch meine Tochter Lucrezia vorzustellen, meinen Augenstern!« Er winkte seine Tochter heran. »Lucrezia, das ist Monsieur Fernand Brissac, mein neuer Partner in Lyon, der fortan unser Handelshaus dort vertreten wird.« Dabei deutete er auf den fast gleichaltrigen Franzosen, der von kräftiger, untersetzter Gestalt war. Er hatte ein eher grobes Gesicht mit mächtigem Unterkiefer und blauen Schatten auf den glattrasierten Wangen. »Und sein Begleiter ist Monsieur Henri de la Croix, sein Cousin.«
Lucrezia verzog das Gesicht. »Ein Augenstern, der Euch so sehr am Herzen liegt, dass Ihr ihn nicht schnell genug unter Nonnengewand und Schleier verschwinden lassen könnt«, flüsterte sie.
Ihr Vater warf ihr einen scharfen Blick zu.
» Je suis excité! Ich bin entzückt, Eure Bekanntschaft zu machen, Donzella Lucrezia«, begrüßte Fernand Brissac sie mit einer galanten Verbeugung und führte ihre Hand an seine Lippen, ohne sie jedoch zu berühren.
Lucrezia neigte mit einem spröden Lächeln den Kopf. »Das Vergnügen ist ganz meinerseits, mein Herr«, grüßte sie höflich zurück.
» Mon Dieu! Quelle élégance! Ihr habt uns vorenthalten, dass das wahre Juwel von Florenz in Eurem Haus lebt und Eure Tochter ist, Signore Petrucci!«, rief Henri de la Croix mit einem unverhohlen bewundernden Blick. »Selbst wenn es ein trister Tag wäre, hier strahlt le soleil … die Sonne ja doch! Und mit welch betörender grâce! «
Der jüngere der beiden Franzosen war mit der schlanken Gestalt und den ebenmäßigen Zügen eines Edelmannes gesegnet, wie er von den Troubadours hätte besungen werden können.
Er hatte lebhafte hellblaue Augen mit seidig dichten Wimpern, für die eine Frau weiß der Himmel was gegeben hätte. Volles schwarzes Haar, das leicht bläulich schimmerte, fiel ihm in wohlgestalteten Wellen bis fast auf die Schulter. Ein kurzer schwarzer Kinnbart verlieh seinem Aussehen eine verwegene, kecke Note.
Marsilio Petrucci lachte geschmeichelt. »Ihr sagt es, Monsieur de la Croix«, erwiderte er stolz.
Lucrezia reagierte auf das blumige Kompliment mit einem trockenen Lachen. »Nicht jedes Juwel hat das Glück, makellos zu sein, mein Herr«, sagte sie hintersinnig.
» Mon Dieu, gebt mir Eure Tochter zur Frau, und ich werde ihr ewige Treue schwören!«, verkündete Henri de la Croix mit übertriebener Galanterie.
Fernand Brissac lachte spöttisch. » Mon Dieu, lasst Euch bloß nicht von meinem Cousin den Kopf verdrehen, Donzella Lucrezia«, rief er mit starkem Akzent, aber in ebenso flüssigem Italienisch wie sein Begleiter. »Seine Treue ist kurz wie ein Hasenschwanz.«
Marsilio Petrucci und Henri de la Croix lachten.
Lucrezia schenkte dem Charmeur einen koketten Blick. »Vielleicht habt Ihr ja den Mut, mich zu entführen, mein Herr de la Croix. Das würde mir schon genügen.«
»Voilà! Chapeau!«, riefen die beiden Franzosen wie aus einem Mund. Offensichtlich hielten sie Lucrezias Bemerkung für einen geistreichen Witz.
Ihr Vater fand das weniger belustigend, wie sein gequältes Lächeln dem, der hinschaute, verriet. »Ich bitte dich um ein wenig mehr Zurückhaltung, Tochter! Nicht jeder versteht deine besondere Art zu scherzen«, sagte er mit mildem Tadel. Dass die Zurechtweisung nicht schärfer ausfiel, verdankte Lucrezia zweifellos der Gegenwart seiner Lyoner Geschäftspartner, vor denen er das Gesicht zu wahren wünschte. An seine Gäste gewandt fuhr er eilig fort: »Seid so gütig, mich einen Augenblick zu entschuldigen. Ich habe mit Pater Angelico, der mir die Hauskapelle ausmalen wird, noch rasch etwas zu bereden.«
»Très bien«, erwiderte Henri de la Croix mit einem Augenzwinkern. »Nehmt Euch nur Zeit, damit wir uns noch lange an der Gegenwart Eurer Tochter erfreuen können.«
Marsilio Petrucci zog Pater Angelico, der die dick aufgetragene Galanterie des kinnbärtigen Franzosen mit stillem Missfallen beobachtet hatte, einige Schritte zur Seite. »Bei Gott, mir fällt ein gewaltiger Stein vom Herzen, Euch endlich wieder hier anzutreffen! Ihr habt meine Geduld auf eine harte Probe gestellt«, raunte er mit einer Mischung aus Erleichterung und Vorwurf, während die beiden Franzosen fortfuhren, Lucrezia mit schmeichlerischen Artigkeiten zu überhäufen. »Nicht dass ich Euch nicht eine gewisse Zeit der Erholung von Euren … argen Widrigkeiten gegönnt hätte, aber mich über zwei Monate warten zu lassen, das ist weiß
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