Der Tote am Steinkreuz
ein paar Fragen stellen. Dignait hat hier viele Jahre lang Dienst getan, stimmt das?«
»Dignait? Ich dachte, du wolltest mich etwas über Muadnat fragen?«
»Befassen wir uns erst mal mit Dignait. Sie war hier, seit Cranat herkam, um Eber zu heiraten, nicht wahr?«
»Das stimmt.«
»Hast du bemerkt, wem ihre Anhänglichkeit galt?«
»Nun, dem Fürstenhaus von Araglin.«
»Nicht einer einzelnen Person? Cranat zum Beispiel?«
Pater Gormán zögerte und sah verlegen drein.
»Und war es nicht so, daß Dignait Eber haßte?« drängte ihn Fidelma.
»Haßte?« Pater Gormán schüttelte den Kopf. »Sie achtete ihn nicht, aber das ist noch kein Haß. Sie stand Crón näher als ihrer Mutter und tat alles für sie.«
»Sie tat alles für Crón?« wiederholte Fidelma nachdenklich.
»Das ist kein Verbrechen«, bemerkte Gormán.
»Nein. Das ist an sich kein Verbrechen.« Sie hielt inne. »Du magst Dubán nicht, oder?«
Die Frage kam plötzlich.
Pater Gormán nahm sie übel.
»Was hat das, was ich mag oder nicht mag, mit dieser Angelegenheit zu tun?« wollte er wissen.
»Nichts weiter«, gab sie zu. »Ich habe gesehen, wie du dich mit ihm gestritten hast. Da habe ich mich einfach gefragt, warum du ihn nicht magst.«
»Er ist sehr ehrgeizig. Ich glaube, er möchte Fürst von Araglin werden. Weißt du, daß er versucht, Crón zu umgarnen?«
»Umgarnen? Das ist ein merkwürdiger Ausdruck. Verlocken, betören oder täuschen. Ist es das, was du meinst?«
Pater Gormán schob das Kinn vor.
»Beobachte doch ihr Verhältnis selbst.«
»Das habe ich bereits getan.«
»Cranat tut mir leid. Sie war die Frau eines Fürsten ohne moralische Bedenken und ist die Mutter einer jungen Frau, deren Unschuld sie blind macht für den Ehrgeiz eines Mannes, der so alt ist, daß er ihr Vater sein könnte.«
»Ich erinnere mich, daß du Eber auch haßtest.«
»Es stimmt, daß ich ihn kaum ertragen konnte. Eber war ein Sünder vor Gott und den Menschen. Es gibt keine Vergebung für solch einen Mann, der gegen die Gesetze der Menschen und seines Gottes verstoßen hat.«
»Als Priester solltest du Nachsicht üben. Statt dessen spüre ich großen Haß in dir. Es ist deine Aufgabe zu vergeben. Schrieb nicht Paulus im Brief an die Epheser: ›Seid aber untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem andern, gleichwie Gott euch vergeben hat in Christo‹? Wenn Gott vergeben kann, so kann es sein Priester auch.«
Pater Gormán starrte sie einen Moment an. Dann verzerrte sich sein Gesicht vor Zorn.
»Du hättest in diesem Brief an die Epheser weiterlesen sollen. Paulus sagt da: ›Denn das sollt ihr wissen, daß kein Hurer oder Unreiner oder Geiziger, welcher ist ein Götzendiener, Erbe hat in dem Reich Christi und Gottes.‹ Eber wird keinen Anteil am ewigen Leben haben.«
»Weil er mit seinen eigenen Schwestern schlief oder noch Schlimmeres tat?«
»Ich sage nur, daß die Welt ohne Eber von Araglin besser dran ist. Je eher dieses Tal vom Übel gereinigt wird, desto besser.«
»Also ist es in deinen Augen noch nicht gereinigt? Wußtest du, daß Muadnat ein Goldbergwerk besaß?«
Pater Gormán biß sich auf die Lippen. »Was weißt du darüber?«
»Das wirst du noch erfahren. Sei um Mittag in der Festhalle.«
Fidelma verließ die Kapelle so plötzlich, wie sie gekommen war, und Pater Gormán stand reglos da und starrte ihr nach. Dann eilte er in die Sakristei.
Draußen traf Fidelma auf Crón.
»Wie geht es Bruder Eadulf heute?« fragte die Tanist mit ernster Miene.
»Recht gut, Gott sei Dank«, antwortete Fidelma.
»Ich sprach heute morgen mit Dubán«, fuhr Crón etwas verlegen fort. »Er sagt, du bist nahe daran, zu entdecken, wer soviel Elend über die Menschen in diesem Tal gebracht hat?«
»Ja, möglich. Ich möchte dich bitten, mir heute mittag die Benutzung der Festhalle zu gestatten. Ich ersuche alle Beteiligten, sich dort einzufinden, damit ich ihnen die Namen derer nennen kann, die für das Blutvergießen in diesem Tal verantwortlich sind.«
»Dann weißt du also, wer Eber und Teafa getötet hat?«
»Ich glaube es zu wissen.«
»Du glaubst es?« Crón schaute sie zweifelnd an.
»Heute mittag werde ich meine Theorie begründen«, sagte Fidelma, und es klang fast fröhlich. »Würdest du deine Mutter bitten, auch zu erscheinen? Sie wird doch sicher hören wollen, wer den Mord an ihrem Gatten verübt hat?«
»Das werde ich tun«, stimmte die Tanist zu.
Fidelma ging weiter, ohne sich darum zu kümmern, daß
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