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Der Tote am Steinkreuz

Der Tote am Steinkreuz

Titel: Der Tote am Steinkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Tremayne
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darüber streiten – jedenfalls jetzt nicht. Du standest gleich nach Sonnenaufgang auf und stelltest dann fest, was mit Eber geschehen war. Hattest du die ganze Nacht fest geschlafen?«
    »Ich hatte das mitternächtliche Angelusgebet gesprochen und war dann zu Bett gegangen. Mich hatte nichts gestört.«
    »Du hast keinen Schrei oder Hilferuf gehört?«
    »Das sagte ich schon.«
    »Weißt du, wenn ein Mann auf die Art angegriffen wird, wie es Eber widerfuhr, dann scheint mir, daß er wohl um Hilfe rufen würde.«
    »Ich habe gehört, daß Eber im Schlaf erstochen wurde. Da blieb ihm wohl kaum Zeit für einen Hilferuf.«
    »Kaum Zeit für einen Hilferuf?« wiederholte Fidelma langsam. »Keine Zeit zu schreien, während ein blinder Taubstummer in der Lage war, den Raum zu betreten, ohne jemand zu stören, ein Messer zu nehmen und Eber mehrere tiefe Stiche zu versetzen? Während dieser ganzen Zeit lag Eber in seinem Zimmer mit einer brennenden Lampe neben sich?«
    Sie schien mehr zu sich selbst zu sprechen.
    »Ich habe nichts gehört«, beharrte Pater Gormán.
    »Warst du überrascht, als du erfuhrst, daß es Móen war, den man an Ebers Leiche gefunden hatte, und daß er nach Ansicht der Zeugen den Mord begangen hatte?«
    »Überrascht?« Pater Gormán überlegte einen Moment. »Nein, als Überraschung würde ich meine Reaktion nicht bezeichnen. Wenn man ein wildes Tier frei im Haus herumlaufen läßt, muß man damit rechnen, daß es einen anfällt und beißt.«
    »Als das hast du Móen angesehen?«
    »Als ein wildes Tier? Ja. Ich sah in diesem Kind der Blutschande nichts anderes als ein wildes Tier. Ich ließ dieses Kind der Blutschande nicht in diese meine Kapelle. Er war von Gott verflucht.«
    »Meinst du, das sei die rechte christliche Art, mit einem Behinderten umzugehen?« unterbrach ihn Fidelma empört.
    »Sollte ich mit Gott rechten wegen Seiner Bestrafung dieser Kreatur? Denn eine Bestrafung ist es, wenn ihm das genommen wird, was uns zu Menschen macht. Hat Christus nicht gesagt: ›Des Menschen Sohn wird seine Engel senden; und sie werden sammeln aus seinem Reich alle Ärgernisse und die da unrecht tun, und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird sein Heulen und Zähneklappern.‹? Gott bestraft uns ebenso wie Er uns belohnt.«
    »Du scheinst dir sicher zu sein, daß Gott Móen geschaffen hat, um ihn zu bestrafen. Vielleicht schuf er Móen, um zu erproben, wie weit unser christlicher Glaube reicht?«
    »Das ist Vermessenheit.«
    »Meinst du? Ich werde oft der Vermessenheit beschuldigt, wenn ich Fragen stelle, die die Leute nicht beantworten können oder wollen. Armer Móen. Anscheinend wurde er hier nur geduldet.«
    Diese Feststellung schloß eine Frage ein.
    »Tadelst du meine christliche Ethik, Schwester?« In der Stimme des Priesters schwang ein gefährlicher Unterton mit.
    »Das steht mir nicht zu, Pater Gormán«, erwiderte Fidelma höflich.
    »Eben!« fauchte Pater Gormán.
    »Dann hast du also keine Bedenken, Móen für schuldig zu halten?« schaltete sich Eadulf ein, um die wachsende Spannung zu mildern.
    Pater Gormán schüttelte den Kopf.
    »Was sollte ich für Bedenken haben? Es gab Zeugen.«
    »Aber hast du dich nie gefragt, welchen Grund Móen dafür gehabt haben soll?«
    »Wahrscheinlich hatte er mehrere Gründe. Das Geschöpf lebt in seiner eigenen Welt, von uns anderen abgekapselt. Wer kennt seine Denkweise, seine Logik? Er muß nicht die gleichen Gründe und Motive haben wie wir. Er ist von einer anderen Welt. Wer weiß, welche Bitterkeit und welchen Haß er in seiner Welt hegt gegen die, die in dieser Welt glücklicher sind?«
    »Dann gestehst du ihm einige menschliche Gefühle zu?« warf Fidelma rasch ein.
    »Solche Gefühle würde ich auch einem Tier zugestehen. Wenn du zum Beispiel einen Hund mißhandelst, wird er dich eines Tages anfallen.«
    Fidelma beugte sich nachdenklich vor.
    »Meinst du damit, daß Eber Móen mißhandelt haben könnte?«
    »Ich nannte damit nur allgemeine Gründe, keine bestimmten«, verteidigte sich der Priester.
    »Hat Teafa Móen mißhandelt?«
    Pater Gormán schüttelte den Kopf.
    »Nein. Sie war in das Geschöpf vernarrt. In der Familie der Fürsten von Araglin sind alle pervers.«
    Fidelma packte sofort den Köder, den er ihr unabsichtlich hingeworfen hatte.
    »Schließt du Eber in diese Feststellung ein?«
    »Ihn besonders. Beten wir darum, daß Crón nach ihrer Mutter kommt und nicht nach ihrem Vater.«
    Fidelmas Augen verengten sich.
    »Aber viele

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