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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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waren Opfer wie er. Aus irgendeinem Grund wußte er, daß sie es verstehen würden. Lebendig, und doch tot.
    Der Bingogewinn verlieh ihm neue Kräfte, ließ ihn fast übermütig werden. Er beschloß, in eine Konditorei zu gehen, und entschied sich für das »Güntherska«. Von seinem Platz aus, auf dem Sofa in der Ecke, würde er alles unter Kontrolle haben.

15
    Das Bild auf Seite fünf der Abendzeitung zeigte einen jungen John Jonsson, und Gunilla Karlsson erkannte ihn sofort. Das hätte sie auch getan, wenn das Blatt ein erst kürzlich aufgenommenes Foto abgedruckt hätte. Sie war John vor ein paar Monaten rein zufällig im Kaufhaus über den Weg gelaufen. Außerdem war Justus in ihre Vorschule gegangen. Er war zwar nicht in ihrer Gruppe gewesen, aber er war ein Junge, der einem auffiel. Meistens brachte und holte Berit ihn, manchmal kam auch John ihn nachmittags gleich nach der Arbeit abholen. John roch gut. Lange hatte sie über den Geruch nachgegrübelt, ehe sie es wagte, ihn darauf anzusprechen. Er hatte sie verständnislos angesehen, ehe er darauf kam, daß es der Geruch des Schweißrauchs sein mußte. Er hatte sich bei ihr entschuldigt, sehr verlegen ausgesehen und gemurmelt, daß er noch nicht zum Duschen gekommen sei. Gunilla war genauso verlegen geworden und hatte ihm versichert, daß der Geruch ihr gefalle. So standen sie sich gegenüber, während Justus zwischen ihnen dabei war, Jacke und Schuhe anzuziehen, hatten glühendrote Gesichter und sahen einander an. Dann hatten sie gelacht.
    Nach dieser Begebenheit lächelte er ihr des öfteren zu. Er erzählte von der Werkstatt und bot seine Hilfe für den Fall an, daß in der Vorschule etwas repariert werden müßte. Sie hatte sich für das Angebot bedankt, glaubte jedoch nicht, daß im Moment etwas zu schweißen wäre. »Aber du darfst gerne öfter vorbeikommen«, hatte sie hinzugefügt, »uns fehlen Männer.«
    Er hatte sie auf die Art angeschaut, an die sie sich noch so gut aus der Schulzeit erinnern konnte, und sie war von großer Wärme erfüllt worden. Ihre Worte hatten ihm gefallen, das besagte sein Blick, aber Gunilla las auch noch etwas anderes aus ihm heraus. Ein Funkeln, das ihr sehr gefiel.
    Sie hätte ihn gerne geküßt. Nicht leidenschaftlich, sondern auf die Wange, den Duft des Schweißrauchs einatmend, der in jede Pore gedrungen war. Es war nur eine sekundenschnelle Eingebung gewesen, aber jedesmal, wenn sie einander begegneten, regte der Impuls sich von neuem.
     
    Gunilla war einmal in John verliebt gewesen. Das war in der Mittelstufe, vielleicht in der achten Klasse. Sie hatte damals zu einer Gang gehört, die sich auf dem »Hügel« traf, dem unbebauten Grundstück neben dem Vaksala torg. John und Lennart gehörten genauso dazu wie ungefähr dreißig andere Jugendliche aus den Stadtteilen Petterslund, Almtuna und Kvarngärdet. Auf der Kuppe des Hügels lagerte ein in Konkurs gegangener Bauunternehmer einen Vorrat an Brettern und Latten, mit denen die Kinder nach einem ausgeklügelten System Gänge und Hüttchen gebaut hatten. Gunilla war vor allem wegen John hingegangen, aber der schwere Duft von Verdünnungsmitteln, Lösungen und Uhu, der über dem Hügel hing, hatte ihr angst gemacht.
    Es wurde mal mehr, mal weniger geschnüffelt, vor allem im Sommer und Herbst. Die Polizei schlug gelegentlich zu, aber im Grunde nahm damals niemand den Mißbrauch wirklich ernst.
    Gunilla hatte später oft daran gedacht, wie viele Gehirnzellen auf dem Hügel verlorengegangen waren. Sie war froh, den Absprung geschafft zu haben, auch wenn dies bedeutete, daß sie den Kontakt zu John verlor.
    Jetzt war er tot. Ermordet. Sie las den Artikel, hatte jedoch ihren eigenen Text im Kopf, als Johns Herkunft und Lebenslauf geschildert wurden. Ihr fiel auf, wie wenig darüber in der Zeitung stand, obwohl die Berichterstattung über den Mord drei Seiten einnahm. Der Journalist hatte es sich leicht gemacht, Johns alte Verstöße gegen das Gesetz herausgekramt und den Mord zudem mit einem zwei Wochen zurückliegenden Vorfall in Verbindung gebracht, bei dem ein Dealer im Stadtzentrum durch ein Messer verletzt worden war. »Die Stadt der Gewalt und des Schreckens« nannte er Uppsala. Sie las weiter: »Das landläufige Bild von der verschlafenen Akademikeridylle Uppsala mit ihren Studentenvereinigungen und -festen ist dem Bild einer gewalttätigen Stadt gewichen. Die harmlosen Abenteuer von Pelle Svanslös, der berühmten Kinderbuchgestalt, rücken in weite Ferne, wenn

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