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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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erwähnt. Sie schaltete weiter, um die Lokalnachrichten von TV 4 zu gucken, aber sie waren schon vorbei, und der Wetterbericht interessierte sie nicht im geringsten. Nicht jetzt.
    »Beruhige dich«, sagte sie laut zu sich selbst.
    Wahrscheinlich handelte es sich einfach um einen Kaninchenhasser, einen kranken Menschen. Im Kopf ging sie die Mieter der umliegenden Häuser durch. Gab es unter ihnen jemanden, dem zuzutrauen war, ein Kaninchen zu erdrosseln und ihm den Bauch aufzuschlitzen? Nein. Cattis konnte zwar manchmal schwierig sein und hatte an allem und jedem herumzumeckern, aber so weggetreten war sie nun doch wieder nicht.
    Der Wind war stärker geworden, und Gunilla glaubte zu hören, wie der Körper des Kaninchens rhythmisch gegen den Zaun schlug. Sie wußte, daß sie den Kadaver herunterholen sollte, zögerte jedoch, erneut auf die Terrasse hinauszugehen. Selbst wenn sie die Polizei noch einmal anrief, was konnten die schon tun? Die Beamten waren sicher vollauf mit dem Mord an John beschäftigt und würden keine Zeit haben, sich mit dem gewaltsamen Tod eines Kaninchens zu befassen.
    Im Fernsehen hörte sie die Stimme des Moderators einer Quizsendung, als sie vorsichtig die Tür aufschob und gleichzeitig den Lichtschalter betätigte. Die Wandlampe auf der Terrasse ging nicht an, und Gunilla versuchte es noch ein weiteres Mal, mit dem gleichen Ergebnis. Ein Zweig der Traubenkirsche, die Martin gepflanzt hatte, schlug gegen das Plastikdach. Mußte er sie auch so nah hierhersetzen, hatte sie noch gedacht, bevor sie sah, daß das Kaninchen verschwunden war. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie es im Schnee entdeckte, so weiß, wie es war. War es heruntergeweht worden oder hatte es jemand losgemacht und in den Schnee geworfen?
    Atemlos schaute sie zum Wald hinüber und versuchte sich zu ducken, um im Licht, das aus der Wohnung ins Freie fiel, nicht so deutlich gesehen zu werden. Die Kiefern neigten sich im Wind. Der Ast des Traubenkirschbaums kratzte über das Dach. Auf Strümpfen machte sie vorsichtig ein paar Schritte. Sie konnte Ansgar doch nicht so liegen lassen. Die Leute würden glauben, daß sie ihn selber dorthin geworfen hatte. Malin würde ihr das niemals verzeihen.
    Gunilla Karlsson bekam Angst, war aber seltsamerweise nicht erstaunt, als eine Hand ihr den Mund zuhielt, während sich gleichzeitig ein Arm um ihre Taille legte. Sie versuchte den Angreifer zu beißen, schaffte es jedoch nicht, den Mund aufzureißen.
    »Man soll in der Stadt keine Kaninchen halten«, flüsterte eine Stimme, die sie nur zu gut kannte, aber niemandem zuordnen konnte.
    Der Atem des Mannes stank widerwärtig. Gunilla versuchte auszuschlagen wie ein scheuendes Pferd, hatte aber keine Kraft in den Beinen. Der Mann gluckste nur, so als würde ihr Widerstand ihn amüsieren.
    »Wir gehen jetzt rein«, sagte er mit samtener Stimme.
    Gunilla versuchte vergeblich, die Erinnerung an diese Stimme mit einer Person zu verknüpfen. Wie idiotisch sie sich doch benommen hatte. Er mußte im Schatten hinter der Tür gehockt haben. Sie wurde durch die Terrassentür ins Haus gezogen, ohne den Mann von vorne sehen zu können. Er löschte das große Licht, indem er mit dem Rücken auf den Knopf drückte, schleppte sie weiter ins Zimmer hinein und versetzte ihr einen leichten Stoß, so daß sie hilflos auf die Couch fiel.
     
    »Hallo, Gunilla«, sagte er, »ich wollte dich nur mal besuchen.«
    Sie durchforstete ihr Gedächtnis. Die Stimme klang so bekannt. Sie studierte das Gesicht. Es war schmal, zwei tiefe Furchen liefen wie Mondsicheln über die Wangen, der Mann trug einen schwarzen Bart und war fast kahl, um seinen Mund spielte ein Grinsen, das ihr Angst einjagte und sie verwirrte.
    »Ich rede mit dir!«
    »Bitte?« sagte Gunilla.
    Natürlich hatte sie gesehen, daß seine Lippen sich bewegten.
    »Erkennst du mich?«
    Gunilla nickte. Plötzlich wußte sie, wer er war. Sie begann zu zittern.
    »Was willst du von mir?«
    Der Mann grinste. Er hatte schlechte Zähne, sie waren faulig und voller Zahnstein.
    »Hast du das Kaninchen getötet?«
    Vincent Hahns Gesichtszüge erstarrten zu einer Maske, einer grinsenden Maske.
    »Ich will deine Brüste sehen«, sagte er.
    Sie zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen.
    »Du darfst mich nicht anrühren«, schluchzte sie.
    »Das hast du schon mal gesagt, aber jetzt habe ich hier das Sagen.«
    Er sieht nicht besonders kräftig aus, dachte sie, er hat schmale Schultern und dünne Handgelenke, aber sie

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