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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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Ärmel, der warme, ein wenig klebrige Widerstand des Teiges und sein Blick. Sie hätte gelbbraune Brotlaibe geformt und gebacken. Jetzt lag der Teig wie ein unförmiger Klumpen vor ihr, den sie nicht berühren wollte.
     
    Ola Haver ging langsam die Treppe hinab, beschleunigte dann jedoch seine Schritte. Sein Magen war in Aufruhr, in seinem Hirn herrschte Chaos, und brennende Reue begleitete ihn auf den Hof hinaus, wo der Schnee einen halben Meter hoch lag. Daß es aber auch so gar nicht aufhören wollte zu schneien.
    Er mußte an Rebecka und die Kinder denken und eilte weiter. Als er auf den Parkplatz kam, schaute er die Hausfassade hinauf und suchte nach Anns Wohnung, war sich aber nicht ganz sicher, welche Fenster dazu gehörten. Er überwand den Impuls zurückzulaufen und setzte sich in das ausgekühlte Auto, schaffte es aber nicht, zu starten. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, und er erkannte, daß die kurze Begegnung in Anns Flur ihr Verhältnis auf der Arbeit für alle Zeit beeinflussen würde. Konnten sie noch miteinander arbeiten? Haver seufzte schwer und verfluchte seine eigene Schwäche. Ihr Kuß war unschuldig und zugleich hochexplosiv gewesen. Seit er mit Rebecka zusammen war, hatte er keine andere Frau mehr geküßt. Würde sie etwas merken? Er fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. Die äußerlichen Spuren sind in ein paar Sekunden beseitigt, aber innerlich setzt sich etwas fest. Er war auf diffuse Art zufrieden. Er hatte Ann erobert, eine hübsche Frau, die nicht gerade dafür bekannt war, leicht verführbar zu sein. Er wußte, dies war ein lächerlicher Gedanke, aber die Kälte daheim in der letzten Zeit hatte den psychologischen Raum für das Triumphgefühl geschaffen, das er widerwillig genoß. Er spielte mit dem Gedanken, ein Verhältnis mit Ann anzufangen. Würde sie das wollen? Er bezweifelte es. Würde er das aushalten? Das bezweifelte er noch mehr.
    Er setzte aus der Parklücke heraus. Der Neuschnee lag unberührt, was ihn daran erinnerte, daß es spät geworden war, aber auch an Johns zerstochenen Körper in Librobäck.
    »Was ist das Weiße an deinen Kleidern?«
    Er sah auf seine Hemdbrust hinab und wurde rot.
    »Ann hat gebacken«, sagte er einfältig. »Ich bin wohl an was drangekommen.«
    »So, sie hat gebacken«, meinte Rebecka und verschwand im Schlafzimmer.
    Er schaute sich um. Die Küche war klinisch sauber. Alles war an seinem Platz. Die kürzlich abgetrocknete Spüle glänzte. Das einzige, was das Bild störte, war eine halb heruntergebrannte Kerze und ein einsames Glas mit einem Rest Wein. Die Kerze hatte getropft und ein eigenartiges Muster auf dem mit Grünspan überzogenen Kerzenständer hinterlassen, einem Erbstück von seiner Großmutter. Haver erinnerte sich, daß seine Großmutter ihn immer an Festtagen benutzt hatte. Das Weinglas war grün, sie hatten es von ihrem ersten gemeinsamen Urlaub auf Gotland mitgebracht. Der Wein war rot und von Haver für die Silvesterfeier mit Sammy Nilsson und dessen Frau eingekauft worden.
    Er hörte Rebecka im Schlafzimmer hantieren, hörte, wie die Rollade heruntergelassen, die Kommodenschublade zugeschoben und die Bettlampe eingeschaltet wurde. Er konnte seine Frau vor sich sehen, verbissen und mit etwas fahrigen Bewegungen wie immer, wenn sie aufgebracht war.
    Er öffnete den Kühlschrank und nahm sich ein Bier, setzte sich an den Tisch und erwartete den Sturm.

26
    Lennart mußte lachen und stand auf. Der Wecker hatte ihn brutal aus dem Schlaf gerissen. Er lachte, weil er sich vorstellte, wie erstaunt seine Bekannten wären, wenn sie den berüchtigten Säufer und Herumtreiber Lennart Jonsson sehen könnten, der sich nun anzog, nüchtern war, die Kaffeemaschine anstellte und die Thermoskannen herausholte. Und das früh halb sechs. Kein Bier, nach dem mit zittrigen Händen gegriffen wurde, kein Suchen nach Kippen auf verdreckten Tischen. Er erinnerte sich an einen Morgen, an dem er davon wach geworden war, daß Klasse Nordin seine eigene Weinkotze trank, die er Stunden zuvor in einer Plastiktüte aufgefangen hatte. Jetzt ist Schluß mit diesen verkaterten Morgenstunden, dachte er ein wenig übermütig.
    Wenigstens würde er nicht frieren müssen. Sein Vater Albin hätte ihn um den Helly-Hansen-Arbeitsoverall beneidet, ein Überbleibsel aus der Zeit auf dem Bau. Albin hatte sich oft über die Kälte beklagt. Im Sommer beschwerte er sich dagegen über die Hitze. Es herrschte so gut wie nie die richtige Temperatur, allerdings

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