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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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Rebecka liebe. Ich spiele wie ein Masochist mit dem Gedanken, mich selber oder sie zu bestrafen, ich weiß nicht wofür. Damals, als wir uns kennenlernten, wurde ich von ihr angezogen, als wäre sie ein Magnet und ich ein Eisenspan. Und ich glaube, sie hat es genauso empfunden. Jetzt ist alles so belanglos geworden. Manchmal sieht sie mich an, als wäre ich ein Fremder.«
    »Vielleicht bist du manchmal ein Fremder«, warf Ann ein.
    »Sie bewacht mich, als würde sie auf etwas warten.«
    »Oder auf jemanden. Ist sie immer noch eifersüchtig? Du hast so was erwähnt, als wir nach Spanien fahren sollten.«
    »Ich weiß nicht. Ich habe eher das Gefühl, es ist ihr ziemlich egal.«
    Ann sah, daß Ola immer niedergeschlagener wurde. Sie fürchtete, er könnte seinen Gefühlen freien Lauf lassen. Das würde sie nicht ertragen. Sie mußte versuchen kluge Dinge zu sagen, die mit Sicherheit trotzdem sehr unklug sein würden. Sie hatte Angst vor einer aufkommenden Gefühlsseligkeit, denn diese wäre eine Falle, in die sie vielleicht willig tappen und so zum Opfer werden würde. Nicht, weil sie ihn liebte, sondern weil ihr Bedürfnis nach Nähe mittlerweile so stark war, daß sie fürchtete, ihre sorgsam ausgetüftelte Lebenskonstruktion könnte in sich zusammenbrechen. Seit dem letzten Sommer war sie mit keinem Mann mehr zusammen gewesen. Ich vertrockne, dachte sie immer öfter. Sie liebkoste sich manchmal, kam aber nie zu einem Orgasmus. Sie dachte an Edvard auf Gräsö, tausend Meilen entfernt. Den Griff seiner Hände zu spüren, dafür würde sie alles geben. Er war für immer fort, verloren durch die trunkene Geilheit einer Nacht.
    Haver faßte nach ihrer Hand, und sie ließ es geschehen. Das Schweigen schmerzte, aber kein Wort durfte gesprochen werden.
    »Ich sollte vielleicht gehen«, sagte Haver mit gebrochener Stimme.
    Er räusperte sich und sah sie an.
    »Und wie geht es dir?« fuhr er fort, und sprach damit die Frage aus, die sie am allerwenigsten hören und beantworten wollte.
    »Man lebt so vor sich hin«, erwiderte sie. »Sicher, manchmal fühle ich mich nicht besonders gut, aber ich habe Erik, er ist ein Schatz.«
    Das war die Antwort, die man von ihr erwartete, und manchmal reichte das Würmchen ihr tatsächlich, dennoch pochte in letzter Zeit immer öfter die Sehnsucht nach einem anderen Leben auf ihr Recht.
    »Manchmal fühle ich mich nicht besonders gut«, wiederholte sie.
    »Du sehnst dich noch immer nach Edvard?«
    Hör auf, dachte sie, und wurde plötzlich wütend über seine zudringlichen Fragen, beruhigte sich jedoch sofort wieder. Seine Worte waren nicht böse gemeint gewesen.
    »Manchmal. Es kommt mir so vor, als hätten wir unsere Chancen vergeudet, als wären wir niemals im gleichen Takt gegangen.«
    Er drückte ihre Hand.
    »Du lernst bestimmt wieder einen netten Kerl kennen«, sagte er und stand auf.
    Bleib noch etwas, hatte sie Lust zu sagen, schluckte die Worte jedoch hinunter. Sie gingen in den Flur. Haver streckte sich nach seiner Jacke, aber es war, als würde er von allein seine Richtung ändern, er griff nach ihrer Schulter und zog sie an sich. Sie seufzte, oder war es ein Schluchzen? Sacht legte sie ihm die Hände auf den Rücken und umarmte ihn vorsichtig. Es verging eine Minute. Dann befreite sie sich aus seinem Griff, blieb aber ganz dicht vor ihm stehen. Sie spürte seinen Atem, und es war ihr nicht unangenehm. Er streichelte ihre Wange, strich mit den Fingerspitzen über ihr Ohr. Sie schauderte. Er beugte sich vor. Für den Bruchteil einer Sekunde sahen sie sich an, bevor sie sich küßten.
    Wie hat Ola Haver geschmeckt, dachte sie, als er gegangen war.
    Sie sahen einander nicht an, sondern trennten sich wie auf einer Theaterbühne, glitten auseinander, murmelten beide ein Tschüß, und er schloß vorsichtig die Tür hinter sich. Ann legte eine Hand auf die Klinke, während sie sich mit der anderen über den Mund fuhr. Wie schlecht, dachte sie, bereute den Gedanken jedoch sofort. An ihrer kurzen Begegnung war nichts Schlechtes gewesen. Es war ein Kuß voller Suche und Sehnsucht, Freundschaft, aber auch Begehren gewesen. Sie ging in die Küche zurück. Der Teig quoll aus der Schüssel. Sie nahm das Handtuch fort und betrachtete die schwellende Masse. Auf einmal kamen ihr die Tränen, und sie wünschte sich, Ola wäre noch ein wenig geblieben. Nur noch einen Moment. Sie malte sich aus, daß er gerne gesehen hätte, wie sie das Brot backte. Das hätte ihr gefallen. Die hochgekrempelten

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