Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
ein Kind getötet. Für LaBréa gab es keinen Zweifel, dass dem kleinen Joseph Croix das gleiche Schicksal bestimmt gewesen war wie dem Unbekannten aus der Seine. Wie viele hatte es schon vorher gegeben? Vielleicht würde man es nie erfahren.
Kaplan Coulon hatte die Jungen »besorgt«. Joseph Croix war von ihm als vermisst gemeldet worden, ein perfider Plan. Während Coulon ihn landesweit suchen ließ, wusste er, was in Wirklichkeit mit ihm geschah und welches Schicksal ihm bevorstand.
Wie war er bei dem Jungen aus der Seine vorgegangen? In der Maison de Dieu hatte sich dieses Kind nie aufgehalten. Als Coulon am gestrigen Abend verhaftet wurde, hatte man das Fahndungsfoto des Jungen den dortigen Betreuern und anwesenden Kindern gezeigt. Niemand kannte ihn. Coulon musste auf andere Weise auf ihn gestoßen sein. Oder hatte der Täterkreis um Ribanville noch eine weitere Quelle, wo sie sich ihre Opfer besorgten?
Zwei Gendarmen wurden abgestellt, um das Gelände zu bewachen. Auch hier würde sich die Spurensicherung gründlich umsehen. Doch auch so war die Beweislage gegen die Täter mehr als erdrückend. Sie waren in flagranti bei ihrem verbrecherischen Tun erwischt worden. Zudem hatten sie Chantal Coquillon betäubt und in hilflosem Zustand
in dem unterirdischen Gang zurückgelassen. Vermutlich wäre sie dort unten nie gefunden worden und elend gestorben.
Auf dem Weg zum Strand, wo die beiden Helikopter auf sie warteten, rief LaBréa seinen Vorgesetzten an. Erst nach mehrmaligem Klingeln meldete sich die verschlafene Stimme des Schöngeistes. LaBréa berichtete ihm kurz, was geschehen war. Thibon hörte schweigend zu. Kein Wort der Anerkennung, kein Lob für seine Mitarbeiter. Wie immer war Thibon ein schlechter Verlierer. Er war gegen die Aktion in der Normandie gewesen, die nun erfolgreich verlaufen war. Jetzt neidete er LaBréa den Erfolg, den er sich doch schon bald auf seine eigenen Fahnen schreiben würde.
Eine halbe Stunde später hoben die Hubschrauber vom Strand ab. LaBréa blickte nach unten. Ruhig, wie ein glattes, dunkles Tuch lag der Ozean unter ihnen. Von fern blinkte das Licht eines Leuchtturms. Immer mehr hatte sich der Himmel aufgeklart.
Die Hundstage schienen endgültig vorbei zu sein, und mit ihnen hatte ein mörderischer Sommer sein Ende gefunden. LaBréa lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er dachte an den bevorstehenden Urlaub und daran, wie sehr er sich danach sehnte, endlich einmal auszuspannen.
Die erste gemeinsame Ferienreise mit Céline und Jenny … Ein wohliges Gefühl durchströmte ihn. Das Gefühl von Glück. Kurz darauf schlief er tief und fest und erwachte erst, als der Hubschrauber sanft in Paris landete.
EPILOG
W ie erwartet lösten die Ereignisse in Le Cloître und die Verbrechen einer Handvoll angesehener Männer einen Medienrummel aus, der seinesgleichen suchte. Der Staatspräsident gab eine Erklärung ab und forderte für die Täter die härtesten Strafen. Der Erzbischof von Paris verfügte die sofortige Schließung der Maison de Dieu und ordnete eine interne Untersuchung der Vorfälle an. Hatten Pater Francis und die anderen Betreuer im Waisenhaus tatsächlich keine Kenntnis von Coulons Machenschaften gehabt? Die Kirche versprach eine lückenlose Aufklärung.
Die Beweise auf der Jacht des Ex-Staatssekretärs waren erdrückend. DNA-Spuren des toten Jungen aus der Seine waren die Bestätigung, dass er sich auf dem Boot aufgehalten hatte. Außerdem konnten die DNA-Spuren im Körper des toten Jungen zweifelsfrei den Männern zugeordnet werden, die ihn über Wochen missbraucht hatten. Die drei überlebenden Täter hatten die besten Strafverteidiger engagiert und schwiegen zu allen Vorwürfen. Es blieb unklar, wer den unbekannten Jungen im Meer ertränkt hatte und warum er anschließend mit Kahns Jacht nach Paris gebracht wurde. LaBréa konnte nur spekulieren. Wollten die Täter die Spuren verwischen? Die Polizei in die Irre führen? Oder war der Transport des Leichnams an ein verlassenes Seineufer im nächtlichen Paris nur eine weitere
Variante ihrer perversen und menschenverachtenden Fantasie gewesen, eine Laune, ein Spaß?
Das Tagebuch von Ribanville enthielt Einträge über die genauen Daten, wann die fünf Männer sich jeweils in Le Cloître getroffen hatten. Ribanville beschrieb auch detailliert seine sexuellen Fantasien. Daraus ging hervor, dass er und seine Mittäter den Mord an einem Jungen geplant hatten. Unter dem Datum vom 9. August war zu lesen: »Heute
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