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Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Titel: Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Krohn
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Marlen war hellwach und todmüde zugleich, offen und ohne Schutzhaut. In diesem Zustand traf sie erfahrungsgemäß lieber keine Verabredungen mit Männern, deren Blick ihr unter die Haut ging. Sie zahlte, gab ein großzügiges Trinkgeld. »Für das Kompliment.«
    Der Taxifahrer grinste. »War mir ein Vergnügen. Ich warte noch, bis Sie im Haus sind.«
    »Sehr aufmerksam. Grazie .« Sie begegnete seinem eindringlichen, wenngleich zurückhaltenden Blick und wünschte ihm eine angenehme Nacht.
    »Ich heiße übrigens Salvatore«, rief er hinterher.
    Natürlich, dachte sie spöttisch, Salvatore, der Retter, nicht in Blech, sondern aus Fleisch und Blut.
    Sie warf die Reisetasche über die Schulter und rannte los, so gut es ging. Nach zwei Metern war sie patschnaß. Nummer 17. Sie suchte die Hauseingänge ab, 13, 14, 15, 16, 18, 19. Nichts. Das war doch nicht möglich! Sie mußte den Eingang übersehen haben. Oder war es doch die falsche Straße? Oder etwa die falsche Hausnummer? Wo war der verdammte Zettel? In dem Moment tat sich weiter vorn ein Tor auf: Licht. Ein Auto kam herausgefahren. Marlen lief in die Einfahrt, zwei schwarzgewandete Frauen hasteten ihr entgegen.
    »Schnell, poverina , Sie werden ja ganz naß, Sie Ärmste! Grazie a Dio! «
    Grazie a Dio sei sie nun endlich da, den ganzen Abend habe man auf sie gewartet, so eine lange Reise, sie müsse ja völlig ausgehungert sein. Marlen versuchte, gegen den wortreichen Empfang anzureden, doch die Nonnen waren von der eigenen Fürsorge so absorbiert, daß sie gar nicht zuhörten.
    Eine andere Frau in einer Wolljacke, die das Mißverständnis im hellerleuchteten Portal des Klosters intuitiv erfaßte, kam Marlen zu Hilfe. Im Kloster erwartete man, wie Marlen nun erfuhr, seit Stunden die Ankunft einer Dominikanerin aus Österreich. Kaum war die Verwechslung aufgeklärt, ließen die Nonnen von Marlen ab, die erneut nach dem Vicoletto Conte Cedronio fragte, Nummer 17. Die Frau in der Wolljacke lachte breit. »Da sind Sie hier ganz richtig. Aber die Siebzehn? À disgrazia! « rief die Frau. Die Siebzehn bringe Unglück! Die gebe es hier nicht. Wen sie suche. Livia Picone? Sie dachte nach.
    »Mitte dreißig, relativ klein, dunkle Haare, Locken, Malerin. Sie lebt allein, hat keine Kinder…« Der Versuch einer Beschreibung.
    »… ma certo , natürlich, ho capito , kommen Sie…«
    Die Zauberformel »alleinstehend, keine Kinder« mußte mal wieder gewirkt haben. So etwas fiel hier auf. Die Frau öffnete einen großen Regenschirm und hakte Marlen unter. Sie gingen die Gasse hinunter, an einer langen, hohen Steinmauer entlang, bis sie zu einer schweren Eisentür kamen. Die Frau drückte auf einen verrosteten Klingelknopf. Nichts, kein Ton zu hören, jedenfalls nicht hier draußen. Sie wartete, klingelte erneut. Pochen war sinnlos.
    Das konnte ja heiter werden, Marlen sah sich schon im Kloster übernachten. Vielleicht hätte sie sich lieber die ganze Nacht lang durch die Stadt fahren lassen sollen, von diesem Taxifahrer, wie hieß er noch…
    »Kommen Sie, gehen wir zu Salvatore.« Wie bitte, noch ein Retter? Dieser Salvatore allerdings entpuppte sich als älterer Mann, der im Haus gegenüber in der Pförtnerloge vor dem Fernseher saß und schlief. Er schreckte hoch, brummte etwas in sich hinein, was Marlen nicht verstand, stand auf, schlurfte aus dem Raum und kehrte mit einem Schlüssel in der Hand zurück.
    Dann war alles nur noch eine Frage von Sekunden. Der Schlüssel paßte, die Tür ging auf, die Frau in der Wolljacke wünschte ihr eine gute Nacht und verschwand in der Dunkelheit. Marlen stand inmitten von regennassen, tropfenden Orangenbäumen, Palmen und Oleanderbüschen in einem Garten. Rechts parkte unter einem Wellblechdach ein abgewrackter, ehemals weißer Fiat, daneben eine rote Vespa: Livias Fuhrpark. Und die dunkle Silhouette, die soeben aus der erleuchteten Tür auf die Terrasse trat, war keine Nonne und auch keine nächtliche Erscheinung, sondern, nicht zu verkennen, ihre Freundin Livia und sonst niemand.

3
    Neben der Tür stapelten sich Ereignisse, Nachrichten, Kommentare, in Druckerschwärze gekleidet und aufs Papier gepreßt – Livias alte Zeitungen. Marlen klemmte sich einen Packen unter den Arm und machte sich auf den Weg.
    Der Vicoletto Conte Cedronio sah bei Tage wie verwandelt aus. Kaum ließen die Geschäfte ihre schweren Rolläden hoch, klappte die Stadt ihre zigtausend Augen auf – die Nacht war vorbei, das Leben begann aufs neue. Schräg

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