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Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Titel: Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Krohn
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Ausverkauf, ein einziges Geschiebe und Gewoge von Körpern. Eine lautstarke Diskussion war im Gange, irgend etwas mußte passiert sein. Marlen schnappte Wortfetzen auf, aus denen sie nicht schlau wurde: schon wieder – Banditen – ihnen auch – immer die Armen und Alten – einfach weggerissen – ecco – ecco – aufgeschlitzt – ich sage ja immer wieder –die Handtasche – den Ehering – ein Skandal – und die Politiker die Oberschurken – mannaggia la miseria!
    Die versammelten Frauenkörper erinnerten Marlen an einen immensen Wackelpudding, der sanft hin- und herwankte, ohne auseinanderzubrechen. Mit ihren einsdreiundsiebzig war Marlen mindestens zehn Zentimeter größer als die meisten der anwesenden Frauen und blickte trotzdem nicht durch. Sie ließ sich einfach mit hineinrühren und verschwand in der teigigen Masse dicker und dünner Frauenkörper, um bis zur Tabakfrau vorzudringen. Die saß mit bleichem Gesicht wie eine Sphinx hinter dem Holztresen, nickte, schüttelte den Kopf, öffnete den Mund und sagte etwas, das vom Lärm der Stimmen so vollständig auf gesogen wurde wie Fettspritzer von einem Blatt Löschpapier.
    Seit Marlen die Tabakfrau kannte, war diese ungemein dick gewesen, dicker noch als andere dicke Menschen, doch nur vom Hals abwärts. Der massige Leib verschwand zwar gewöhnlich hinter dem Tresen, der ihn gut schützte, aber an Armen, Händen, Fingern ließ sich der Umfang des Körpers ablesen. Immer wenn Marlen der Tabakfrau gegenüberstand, wanderte ihr Blick wie zufällig zu diesen Fingern, die ein Paket Toilettenpapier oder ein paar lose Kerzen sorgfältig in Zeitungspapier wickelten und das Päckchen zusätzlich mit einem Bindfaden verschnürten, als handele es sich um ein wertvolles Geschenk. Einen Finger hielt ein Ehering umschlossen, für immer und ewig, als wäre das Fleisch Unkraut und der Ring ein von Unkraut überwuchertes Schloß im Wald, das Dornengeschenk, und darin, schlafend, die Tabakprinzessin. Einst, als die Tabakfrau noch schlank gewesen war, hatte ihr jemand den Ring an den Finger gesteckt – das mußte in einem anderen Leben gewesen sein.
    Das Gesicht der Tabakfrau jedoch bildete ein bizarres Gegengewicht zum Rest des Körpers, nein, Gewicht konnte man es nicht nennen, es entstand eher der Eindruck von Schwerelosigkeit. Ihr Gesicht war schmal, länglich und sah federleicht aus. Grüne, verletzliche Augen, aus denen dann und wann Abenteuerlust hervorsprühte, weiche, weiße Haut, ein erster Faltenwurf von Lachen, Weinen, Zorn und Kummer, eine hohe Stirn, rundherum zurückgekämmte, schwarze Haare, die in einem Knoten am Hinterkopf verschwanden. Schwarze Haare, mittlerweile mit Grau durchsetzt. Zwei Jahre waren vergangen, seit sie sich zuletzt begegnet waren.
    Jetzt winkte sie. Die Tabakfrau hatte Marlen im Gemenge entdeckt und erhob sich. Als sei das ein Zeichen, die allgemeine Versammlung zu beenden und sich wieder den eigenen Sorgen zuzuwenden, begann der Kreis von Frauen von den Rändern her abzubröckeln, der Laden leerte sich.
    Was zum Vorschein kam, waren gähnend leere Regale. Platzte der Laden gewöhnlich aus allen Nähten mit seinen Zahnpastatuben, Monatsbinden, Haarsprays, Deodorants, Rasiercremes, Waschmitteln, Putzeimern, Lippenstiften, Nagellackfläschchen, Schokoladenriegeln, Plastikspielzeug, Postkarten, Papiertaschentüchern, Präservativen und vielem mehr, so sah es dort jetzt aus wie nach einer Plünderung, nach einem Räumungsverkauf zum Nulltarif.
    »So ist das Leben«, sagte die Tabakfrau, die den Einbruch morgens entdeckt hatte. »Man schiebt den Rolladen hoch, und alles ist weg. Nichts mehr da. Wie in einem Alptraum. Man baut sich etwas auf, dann kommt jemand und macht alles wieder kaputt. Einfach so. Wie kleine Kinder einen Turm aus Bauklötzen. Und man hockt sich hin, sammelt die Steine wieder zusammen und baut einen anderen, ähnlichen Turm. Batsch! Das war’s schon wieder. Und so fort. Was bleibt einem anderes übrig?« Sie klagte jedoch eher beiläufig, als unterhielte sie sich mit dem Schicksal, das ohnehin völlig ungerührt bleiben würde.
    »Haben Sie eine Ahnung, wer es war?«
    »Wenn ich das wüßte«, begann die Tabakfrau, dann duckte sie mit den Achseln. »Und selbst wenn ich es wüßte, würde das auch nichts helfen. Irgendwelche Jugendlichen. Drogenabhängige. Irgendwer braucht immer Geld. Die kommen immer wieder. Die Typen ändern sich, die Gesichter, auch wenn sie sich alle ähnlich sehen…«
    Marlen war empört. »Hat

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