Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)
Doch ich glaube jetzt auch, dass Sevi unsere Beziehung auf eine andere Umlaufbahn geschossen hat, auf die wir nicht vorbereitet waren. Auf die sich streng genommen überhaupt kein Paar vorbereiten kann. Wir haben nur mit gegenseitigen Vorwürfen reagiert, und so verhindert, dass wir überhaupt erst einmal verstehen, was mit uns passiert ist. Ich finde, wir hatten nicht einmal richtig angefangen, eine Familie zu sein.«
»Es war ein Schock«, ergänzte Gerald und legte seine Hand auf ihre. »Wir haben als Paar wunderbar funktioniert, aber das heißt offensichtlich nicht automatisch, dass man auch als Familie funktioniert.«
»Und für alles habe ich dich zum Schuldigen erklärt.« Nele lachte auf. »Ich muss dich mit meinen Anschuldigungen und Anforderungen heftig in die Ecke getrieben haben.« Dann verstummte sie plötzlich. »Das mit dir und der anderen Frau …«
»Es hatte schon aufgehört, als du deine Koffer gepackt hast. Es war nur ein Abend. Und ich wünsche mir so sehr, dass ich es ungeschehen machen könnte.«
Sie sah ihm direkt in die Augen, und auf ihrer Gesichtshaut zeigten sich hektische rote Flecken, das vertraute Zeichen, wenn sie verunsichert oder auch erregt war. »Du hast seit damals also mit keiner anderen Frau geschlafen? Schwörst du?«
Gerald nickte, er hätte keinen Ton mehr herausgebracht.
Als gäbe es nichts mehr zu sagen, tranken sie ein zweites Glas. Es war Nele, die schließlich beide Gläser in die Spüle stellte und als Erste ins Badezimmer ging.
In dieser Nacht wachte Gerald zwar mehrmals auf, aber er ging nicht auf die Couch im Wohnzimmer.
16
Als Gerald das Büro betrat, legte ihm Batzko statt einer Begrüßung breit grinsend die aufgeschlagene Zeitung auf den Schreibtisch. Gerald stellte den Kaffeebecher daneben. Sein Blick fiel sofort auf die große Schlagzeile im Münchner Lokalteil. »War der ›Tote von der Isar‹ ein Perverser?« stand dort, in Großbuchstaben. Er setzte sich und trank einen weiteren Schluck Kaffee. Gefrühstückt hatte er schon. Nele war zum Bäcker gegangen und hatte frische Semmeln geholt, während Sevi noch schlief. Der Tag hatte also gut angefangen und konnte so schlecht nicht werden.
Wie uns aus engsten Ermittlerkreisen berichtet wurde, erfuhr der Fall des »Toten von der Isar« in den letzten Tagen eine erstaunliche Wendung. Das Verbrechen hatte aufgrund der mysteriösen Umstände – der gut situierte Rechtsanwalt Arndt Baumann war in der Kleidung eines Obdachlosen erschlagen aufgefunden worden, wir berichteten – überregionales Aufsehen erregt. Es ist äußerst wahrscheinlich, dass es sich nicht um eine willkürliche Gewalttat handelt, auch nicht um eine misslungene Entführung. Neueste Erkenntnisse haben nun ergeben, dass das Opfer eine einfache, leicht heruntergekommene Wohnung in Giesing angemietet hatte, um dort seine Wochenenden zu verbringen, gemeinsam mit einem hohen Ministerialbeamten, Dr. M., und einem renommierten Immobilienmakler-Ehepaar, Herr und Frau Th., aus dem Münchner Süden. In dieser Wohnung wurden zahlreiche Flaschen mit hochprozentigem Alkohol, ein paar Lebensmittel und außerdem ein Kasperltheater und ein alter Schallplattenspieler sichergestellt. Der Verdacht liegt nahe, dass diese Wohnung und ihre Mieter mit dem Verbrechen in Verbindung stehen. Doch es ist nun Aufgabe der Ermittler zu klären, was genau sich dort an den Wochenenden abgespielt hat und warum diese dubiosen Treffen in einem brutalen Mord enden mussten.
Gerald ließ die Zeitung sinken. Etwas irritierte ihn, aber das hatte nichts mit dem reißerischen Artikel zu tun. Es lag etwas in der Luft, im wahrsten Sinne des Wortes. Batzko benutzte ein neues, äußerst aufdringliches Parfüm. Vermutlich hatte er eine neue Freundin oder zumindest jemanden ins Visier genommen. Gerald hätte nachfragen können, doch das hätte unvermeidlich Gegenfragen nach sich gezogen, und er hatte momentan nicht die geringste Lust, die zu beantworten.
»Große Dienstbesprechungen produzieren viele Mitwisser«, sagte Gerald knapp und seufzte. Ihre Arbeit würde durch diesen Zeitungsartikel gewaltig erschwert werden.
»Ich glaube, ich werde mich mit Tanja Hillenbrand in Verbindung setzen. Ein Maulwurf in den eigenen Reihen ist auf die Dauer äußerst unangenehm. Vielleicht hat sie schon jemanden in Verdacht. Ich könnte ihr helfen, zum Beispiel gezielt einen Köder auswerfen, indem ich nur bestimmten Kollegen gegenüber einige Details erwähne.«
»Ich glaube, du hast primär
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