Der Totengarten
ein Röckchen bestimmt gut stehen, du hast den Schwulenradar … lauter solche Sachen.«
»Aber jetzt wirst du dich wohl grundsätzlich ändern, wie?«
»Wahrscheinlich nicht«, gestand Ramone. »Ich bin auch nur ein Mann und nicht heiliger als andere. Ich werde mir in Zukunft wahrscheinlich zweimal überlegen, was ich sage. Und ich hoffe, dass das auch für Diego gilt.«
»Worüber habt ihr sonst noch gesprochen?«, fragte Regina. »Du warst eine ganze Weile in seinem Zimmer.«
»Ich habe das letzte Rätsel zu Asas Tod gelöst. Eigentlich war ich mir schon ziemlich sicher, aber Diego hat es mir bestätigt.«
»Nämlich?«
»Du weißt doch, ich habe ihm immer eingeschärft, darauf zu achten, ob es bei seinen Freunden zu Hause Schusswaffen gibt.«
»Ja, ich weiß. Das war deine größte Sorge.«
»Ich habe einfach schon zu viele Unfälle gesehen, Regina. Kids, die die Pistole ihres Vaters gefunden und ausprobiert haben.«
»Ja, sicher.«
»Diego und seine Freunde kennen sich einfach mit solchen Sachen aus. Sie sind Jungs, sie lesen Waffenzeitschriften. Die Spriggs-Zwillinge wissen genau, dass ich eine Glock habe und dass ich sie immer wegschließe. Sie alle wissen von diesen Dingen.«
»Ach, Gus …«
»Diego sagt, dass Asas Vater zu Hause einen Revolver hatte. Er wusste zwar nicht, ob es ein .38er war, aber ich könnte wetten, es war einer.«
»Lieber Gott.«
»Das ultimative ›Leck mich‹ an seinen Alten Herrn«, sagte Ramone. »Asa hat sich mit der Waffe seines Vaters das Leben genommen.«
Sie nahm ihn fest in die Arme. Dann lagen sie im Dunkeln, und keiner von beiden konnte schlafen.
»Gehst du am Sonntag mit uns in die Kirche?«, fragte Regina.
Ramone sagte ja.
NEUNUNDDREISSIG
Nach der Kirche aß Ramone mit seiner Familie in einem Restaurant jenseits der Distriktgrenze zu Mittag, einem Familienbetrieb, der die Zuwanderung der großen Ketten nach Silver Spring überlebt hatte. Diego bestellte sein Lieblingsgericht, Steak Vietnamese, und Alana trank frische Limonade und ging immer wieder durch die Vorhänge aus Perlenschnüren hin und her, die den Gang zu den Toiletten abtrennten. Der Gottesdienst hatte ihnen allen gutgetan, und dies war eine schöne Art, den Tag fortzusetzen. Außerdem schob Ramone etwas vor sich her, das er unbedingt erledigen musste.
Als sie wieder nach Hause kamen, behielt Ramone seinen Anzug an und sagte zu Regina, er werde bald zurück sein. Er setzte Diego, der sich inzwischen umgezogen hatte, bei den Basketballplätzen an der 3rd ab, wo ihn Shaka schon erwartete. Ramone forderte Diego auf, sein Handy eingeschaltet zu lassen und anzurufen, wenn er irgendwo anders hinging.
Ramone fuhr langsam weiter zum Haus der Johnsons.
Er parkte, stieg jedoch nicht sofort aus dem Wagen. Er hatte Bill Wilkins versprochen, Terrance Johnson auf den neuesten Stand zu bringen. Gleich würde er also Johnson eröffnen, dass sein Sohn Selbstmord begangen hatte, und zwar mit seiner, Terrances, Pistole. Außerdem musste er Johnson sagen, dass Asa schwul war. Es war unmöglich vorherzusehen, wie Terrance darauf reagieren würde. Doch er musste es erfahren, das ließ sich nicht vermeiden.
Terrance hatte in der Zwischenzeit bestimmt bemerkt, dass seine Waffe verschwunden war, und sicher hatte er auch bereits geahnt, dass Asa sie genommen haben könnte. Wahrscheinlich befürchtete er, jemand habe dem Jungen die Waffe abgenommen und ihn damit erschossen. Der Tod seines Sohnes und seine extremen Schuldgefühle hatten ihn tief erschüttert. Trotz allem war er wohl noch nicht auf den Gedanken gekommen, Asa könnte sich mit der Pistole selbst das Leben genommen haben.
Ramone hatte weder Wilkins noch sonst einem seiner Kollegen etwas von der Pistole erzählt. Wenn Wilkins diesen Punkt in seinem Bericht erwähnte, konnte Terrance Johnson wegen illegalen Waffenbesitzes angeklagt werden. Innerhalb der Grenzen von D.C. durften ausschließlich Polizisten, Bundesagenten und die Mitarbeiter bestimmter Sicherheitsdienste eine Waffe besitzen. Entweder die .38er war bereits heiß gewesen, als Johnson sie kaufte, oder er war der Endkunde eines Strohmann-Kaufs in Virginia oder Maryland. Rechtlich gesehen hatte er etwas Falsches getan. Aber Ramone hatte nicht vor, das zu melden. Für Johnson war es auch so schwer genug, nach dem, was geschehen war, weiterzuleben. Es hatte keinen Sinn, ihm, seiner Frau und dem Kind, das den beiden noch geblieben war, weiteres Leid aufzubürden.
Er wollte auch Terrance gegenüber
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