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Der Totengarten

Der Totengarten

Titel: Der Totengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Pelecanos
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nicht völlig offen sein. Ramone hatte sich seine Gedanken über Asas älteren Liebhaber gemacht, der in dem Tagebuch als RoboMan bezeichnet wurde. Asas Mathematiklehrer hatte behauptet, Asa sei am Tag seines Todes nach der Schule zu ihm gekommen, um sich Arbeitsblätter mit Extraaufgaben abzuholen. Doch Ramone hatte keine solchen Blätter gefunden, weder in Asas Spind noch in seiner Schultasche oder in seinem Zimmer. RoboMan wahr wohl ein leicht durchschaubarer Deckname für Robert Bolton. Ramone war bei seinem Gespräch mit Bolton aufgefallen, wie extrem defensiv er auf Stereotypen über junge männliche Schwarze reagierte. Aber eigentlich hatte er Asa verteidigt. Bolton liebte den Jungen.
    Ramone würde seinen Verdacht gegenüber den Kollegen von der Sitte äußern. Für diese Angelegenheit war er nicht zuständig.
    Er wusste einfach nicht, was er mit seinen Erkenntnissen anfangen sollte. Er wollte sie nur noch los sein.
    Ramone beabsichtigte, seinen Kollegen beim MPD Informationen vorzuenthalten. Er beabsichtigte, dem Vater des Jungen Informationen vorzuenthalten. Holiday hatte recht gehabt: Ganz so korrekt war er doch nicht.
    Er stieg aus dem Tahoe, ging auf das Haus der Johnsons zu und klopfte an die Haustür. Gleich darauf hörte er drinnen Terrance Johnsons Schritte. Für einen Moment empfand Ramone den Impuls kehrtzumachen, sich in seinen Wagen zu setzen und davonzufahren.
    Doch dann wurde die Tür geöffnet, er schüttelte Johnson die Hand und trat ein.

    Dan Holiday steckte sich eine Zigarette an und warf das Streichholz in den Aschenbecher, neben seinem Wodka Tonic. Um ihn herum standen Jerry Fink, Bob Bonano und Bradley West. Die drei tranken Bloody Marys. Holiday machte sich nichts vor; er brauchte einen richtigen Drink.
    Das Leo’s war leer bis auf Leo Vazoulis selbst und die vier Männer. Fink war gerade von der Jukebox zurückgekommen. Ein kraftvolles Intro mit Bläsern und Backgroundgesang setzte ein, dann erfüllte eine heisere Männerstimme den Raum.
    »›It isn’t what you got, it’s what you give«‹, sang Fink, der den weiblichen Part übernahm.
    »Die Jimmy Castor Bunch«, sagte Bradley West, der Schriftsteller.
    »Nee, das war noch vorher«, widersprach Fink. »Und auch vor dem Scheiß mit Troglodyte und so. Jimmy Castor war schon ein echter Soul-Sänger, bevor der ganze Rummel um ihn losging.«
    »Okay«, sagte West, »mit ›Bunch‹ hab ich mich geirrt. Aber jetzt kommt die Fünf-Dollar-Frage: Welchen Sänger hat Jimmy Castor in einer berühmten Band ersetzt, ganz früh in seiner Karriere?«
    »Clyde McPhatter«, riet Fink. »Von den Drifters.«
    »Falsch.«
    Fink grinste dümmlich. »Bo Donaldson von den Heywoods?«
    »Er hat den Platz von Frankie Lymon eingenommen«, verkündete West. »Von den Teenagers.«
    »Dieser kleine Junkie«, kommentierte Bonano. Sein Handy, das auf dem Tresen lag, spielte Ennio Morricones berühmteste Melodie, doch Bonano ignorierte es.
    »Du schuldest mir einen Fünfer«, sagte West.
    »Du nimmst doch auch Kreditkarten, oder?«, erwiderte Fink.
    »Leo nimmt welche«, sagte West. »Gib einfach die nächste Runde aus.«
    »Willst du den Anruf nicht annehmen, Bobby?«, fragte Fink.
    »Nee, das ist nur Kundschaft.«
    »Wieder ein zufriedener Kunde von Home Bastards«, bemerkte Fink.
    »Diese Zicke aus Potomac«, sagte Bonano. »Die ist nicht damit zufrieden, wie ich ihre Schränke aufgehängt habe. Der werd ich ein Gehänge zeigen, über das sie sich nicht beklagen kann.«
    »Schließlich bist du ja Italiener«, bemerkte West.
    »Früher gab es eine natürliche Landbrücke vom Stiefel bis nach Afrika«, sagte Bonano. »Hab ich euch das eigentlich schon mal erzählt?«
    »Nur weil der Kerl ’nen Vokal am Ende vom Namen hat«, kommentierte Fink, »hält er sich für Milton Berle.«
    »Berle war Jude«, sagte Bonano. »Wie du, Jerry.«
    »Sein Name endet aber mit einem Vokal.« Fink wischte sich Wodka und Tomatensaft vom Kinn. »Ich mein ja nur, Uncle Milty hatte ein Gehänge wie ein Esel.«
    Sie unterbrachen ihr Gespräch, um den Refrain des Jimmy-Castor-Songs mitzusingen, sich Zigaretten anzustecken und an ihren Drinks zu nippen.
    Fink warf Holiday einen Blick zu. »Warum so still heute, Doc?«
    »Nur so«, erwiderte Holiday. »Ich weiß einfach nicht recht, was ich sagen soll. Wenn man euch Einsteins so reden hört, kriegt man ja Minderwertigkeitskomplexe.«
    »Erzähl uns eine Gutenachtgeschichte«, schlug West vor.
    »Ich hab gerade keine auf Lager.«
    »Er

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