Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Eins
So wie sich der Morgen präsentierte, kündigte sich ein
gräßlicher Tag an, mal würde die Sonne vom Himmel
brennen, mal eisiger Regen niederprasseln, und auch mit ein
paar heftigen Windböen war zu rechnen. Wenn an solchen
Tagen Kopf und Kreislauf unter dem plötzlichen
Wetterwechsel leiden, kann es schon mal vorkommen, daß
man dauernd seine Meinung und seine Gefühle ändert, so wie
sich die Blechdinger in Form einer Fahne oder eines Hahns
beim kleinsten Windstoß auf den Dächern in alle
Himmelsrichtungen drehen.
Commissario Salvo Montalbano gehörte immer schon zu
dieser bedauernswerten Sorte Mensch; denn er hatte die
Wetterfühligkeit von seiner Mutter geerbt, die kränklich
gewesen war und sich oft ins abgedunkelte Schlafzimmer
zurückgezogen hatte, weil sie an Kopfschmerzen litt. Dann
mußte es im Haus mucksmäuschenstill sein, und man durfte
nur auf Zehenspitzen herumlaufen. Sein Vater dagegen war
immer gesund, bei jedem Wetter, er war stets ausgeglichen,
egal, ob es regnete oder die Sonne schien.
Auch an diesem Tag blieb der Commissario seiner
offensichtlich angeborenen Unschlüssigkeit treu: Kaum war er
mit dem Auto am Kilometer zehn der Provinciale zwischen
Vigàta und Fela stehengeblieben, wie ihm aufgetragen worden
war, wäre er am liebsten wieder umgekehrt und ins Dorf
zurückgefahren und hätte die ganze Sache sausenlassen. Aber
er nahm sich zusammen, parkte das Auto näher am
Straßenrand und öffnete das Handschuhfach, um seine Pistole
herauszuholen, die er normalerweise nicht umgeschnallt hatte.
Doch mitten in der Bewegung hielt er inne: Er rührte sich
nicht und starrte gebannt auf die Waffe.
Madonna santa! Es stimmt wirklich! dachte er.
Am Abend zuvor, ein paar Stunden bevor Gegè Gulottas
Anruf die ganze Geschichte ins Rollen gebracht hatte – Gegè
war ein kleiner Dealer weicher Drogen und Betreiber eines
Bordells unter freiem Himmel, bekannt als Mànnara –, hatte
der Commissario einen Krimi gelesen, der ihn ziemlich
beschäftigte und dessen aus Barcelona stammender Autor
außerdem den gleichen Nachnamen trug wie er, nur in der
spanischen Version: Montalbán. Ein Satz hatte ihn besonders
beeindruckt: Die schlafende Pistole sah aus wie eine kalte
Eidechse. Leicht angewidert zog er seine Hand zurück, schloß
das Fach und ließ die Eidechse schlafen. Wenn sich diese
Geschichte, die da ihren Anfang nahm, als übler Trick, als
Falle herausstellen sollte, dann hätte er seine Pistole schon
ganz gern dabei, aber die würden ihn sowieso, ohne mit der
Wimper zu zucken, mit einer Kalaschnikow durchlöchern, und
dann war eh alles zu spät. Er konnte nur hoffen, daß Gegè
eingedenk der Jahre, die sie in der Grundschule
nebeneinandersitzend verbracht hatten – auch als Erwachsene
waren sie Freunde geblieben –, in seinem Interesse nicht
beschlossen hatte, ihn den Hunden zum Fraß vorzuwerfen, und
ihm irgendeinen Mist erzählt hatte, um ihn in einen Hinterhalt
zu locken. Nein, nicht irgendeinen: Wenn die Geschichte
stimmte, dann war sie ein dicker Hund und würde großen
Wirbel machen.
Er holte tief Atem und stieg, langsam einen Fuß vor den
anderen setzend, einen schmalen steinigen Pfad zwischen
langen Reihen von Weinstöcken hinauf. Was hier wuchs, war
eine Tafeltraube mit runden, festen Beeren, die, weiß der
Himmel warum, uva d'Italia hieß, die einzige, die auf diesem
Boden gedieh; für den Anbau jeder Keltertraube konnte man
sich hier in der Gegend Kosten und Arbeit sparen.
Das einstöckige Häuschen, ein Zimmer oben, eines unten,
stand ganz oben auf dem Hügel, halb verborgen hinter vier
mächtigen Olivenbäumen, die es fast vollständig umschlossen.
Es sah genauso aus, wie Gegè es beschrieben hatte: Tür
und Fenster verriegelt, die Farbe ausgebleicht, auf dem Platz
davor ein riesiger Kapernbusch und kleinere Sträucher
winziger wilder Melonen, die bei der geringsten Berührung
mit einem spitzen Stock aufplatzen und ihre Kernchen
verspritzen, ein umgekippter Stuhl, dessen geflochtener Sitz
gebrochen war, ein alter Zinkeimer zum Wasserholen, der
vom Rost zerfressen und unbrauchbar geworden war. Der Rest
war von Gras überwuchert. All das trug zu dem Eindruck bei,
daß der Ort seit Jahren unbewohnt war, aber der Schein trog,
und Montalbano war zu erfahren, als daß er sich davon hätte
überzeugen lassen. Er war sogar sicher, daß ihn jemand vom
Inneren des Hauses aus beobachtete und aus seinen
Bewegungen
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