Der Totengräber (Horror-Roman) (German Edition)
Brad.
Smith stand schwankend da. Er stützte sich auf eine niedrige Mauer und musste sich setzen. Seine äußere Erscheinung wirkte durch den Angriff des Geistes stark geschwächt. Die Kontrolle über die anderen Geister schien ihm zu entgleiten. Sie verblassten und ein erschrockenes Raunen ging durch die Reihen. Sie schwebten empor und wirkten völlig desorientiert. Einige verblassten ganz, andere verwandelten sich in Lichtbälle, die zurück zu den Grabsteinen flogen, unter denen ihre Körper begraben lagen.
Jetzt oder nie!, durchfuhr es Brad. Er nahm alle seine Kräfte zusammen, rappelte sich auf und stürzte sich auf den Totengräber. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn – ausgehend vom Kopf. Brad wusste, dass er allenfalls ein paar Sekunden Zeit hatte, ehe der Totengräber die Kontrolle erringen würde und ihn völlig ausschalten würde. Sein Schädel drohte zu platzen. Smith versuchte, dem Angriff auszuweichen. Seine Haut wirkte wieder pergamentartig und so faltig wie ein ungebügeltes Hemd.
Aber innerhalb dieser Sekundenbruchteile ging noch eine zweite Wandlung mit ihm vonstatten. Die Augenwülste drängten hervor. Und die Mundpartie veränderte sich. Sie wurde größer. Die Hauer wuchsen aus dem Kiefer empor und ein dumpfes, böses Grollen entrang sich seinem Brustkorb.
Das Amulett!
Brad wusste nicht, ob es sein Gedanke war oder eines anderen. Dad?
Er griff nach dem Amulett, riss es dem Totengräber vom Hals. Dieses bronzefarbene Oval war keineswegs die Quelle jener unheimlichen Kräfte, über die der Totengräber verfügte. Aber zweifellos spielte es eine wichtige Rolle dabei, diese Kräfte zu kontrollieren. Das Amulett leuchtete durch Brads Faust hindurch, die sich um das bronzefarbene Oval geschlossen hatte.
Einer plötzlichen Eingebung folgend, schleuderte es zu Boden. Funken sprühend sprang es auseinander, zerfiel in tausend Teile, die noch einige Sekunden lang glühten und dann verloschen.
„Nein!“, schrie Smith.
Zornige Schreie voll unbändiger Wut erhoben sich. Die Totengeister schwirrten durch die Luft und bildeten nun einen Pulk um Smith, der verzweifelt die Arme hob. Aber gegen die wütenden Attacken der Toten, die er so lange für seine Zwecke missbraucht hatte, vermochte er sich nun nicht mehr zu wehren. Seine schauerlichen Schreie drangen durch die Nacht und erstarben dann. Die Geister stoben auseinander, kehrten zu ihren Gräbern zurück. Von Smith blieb nur ein unförmiges Bündel zurück. Mit grauem Staub gefüllte Kleider.
*
Brad wandte sich dem Geist seines Vaters zu. Er hatte sich wieder aufgerichtet, näherte sich und streckte die Hände aus. Brad tat dasselbe. Sie konnten sich nicht berühren. Brads Hände glitten durch die nicht greifbaren Geisterhände hindurch.
Jetzt kann ich meinen Frieden finden, murmelte die Gedankenstimme des Geistes. Leb wohl, Sohn…
„Auf Wiedersehen“, sagte Brad laut.
Die Geistererscheinung wurde vollkommen transparent. Sie verblasste, bis sie sich fast ganz auflöste. Dann zog sie sich zu einem einzigen kleinen Lichtpunkt zusammen, der zum Grabstein von Jefferson Walker zurückkehrte und plötzlich nicht mehr zu sehen war.
Brad atmete tief durch.
Lana trat neben ihn. Sie sagte kein Wort und das war vielleicht auch das Beste, was sie im Moment tun konnte. Was sie in dieser Nacht erlebt hatten, würde sie für miteinander verbinden, wurde es Brad schlagartig klar, denn es würde wohl nie jemanden geben, mit dem sie diese Erlebnisse teilen konnten.
„Der Spuk ist vorbei“, flüsterte Brad schließlich.
„Nein“, sagte Lana. „Diese Nacht wird uns noch lange in unseren Albträumen verfolgen, Brad.“
ENDE xxx
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