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Der Totenschmuck

Titel: Der Totenschmuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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jung und lag mit dem Gesicht nach unten auf einem großen Doppelbett, das an der Wand stand. Der Körper war nackt bis auf ein Paar Boxershorts. Die Shorts in blauem Madras, die Quinn einen Moment lang fixierte, um den Blick auf den übrigen Körper zu vermeiden, war sorgfältig gearbeitet. Ein Arbeiterklassebursche aus Somerville - wo die Leute nicht bei Brooks Brothers einkauften -, der Hanes-Unterhosen trug. Quinn dachte an die Collegezeit zurück und wusste, dass dies gute Qualität war. Obwohl es ihm später peinlich war, dass er die Shorts wiedererkannte, war sie ihm besonders aufgefallen, und das merkte er sich.
    Der Bursche war dünn, aber muskulös, ein Tennisspieler oder Läufer vielleicht, sein Rücken noch gebräunt vom vergangenen Sommer. Weil seine Arme an die Bettpfosten gebunden waren - mit hell gestreiften Krawatten, wie Quinn bemerkte -, zeichneten sich die schwachen Rückenmuskeln reliefartig unter der Haut ab. Seine Arme wirkten eigenartig steif. Die Totenstarre musste bereits eingetreten sein, dachte Quinn und sah auf die Uhr. Es war Punkt zwei. Das bedeutete, dass er seit ungefähr zwölf Stunden tot war. Früh an
diesem Morgen. Noch vor Sonnenaufgang hatte er seinen letzten Atemzug getan.
    Unter der durchsichtigen Plastiktüte, in der sein Kopf steckte und die mit einer weiteren, sportlich rotblau gestreiften Krawatte um den Hals fixiert war, wirkte das lange Haar des Jungen wie ein dunkler Schatten. Sein Gesicht war in die Tagesdecke gedrückt und nicht zu sehen.
    Aber Quinn sah den Schmuck, den der Bursche trug. Um den Hals eine lange dunkle Kette aus ungefähr vierzig Perlen, die sich wie eine Schlange bis zur Mitte des Rückens ringelte. Über seiner linken Hüfte waren zwei Broschen an die Boxershorts geheftet. Eine war weiß und zeigte eine Frau, die auf einem Friedhof saß, den Kopf in die Hände gestützt. Die andere war kleiner und dunkler mit einem unruhigen Muster auf der Vorderseite. Er erinnerte sich plötzlich daran, wie er seiner Mutter eine Kleeblattbrosche zu Weihnachten gekauft hatte, bevor er aufs College ging. »Was für eine schöne Brosche«, hatte sie ausgerufen und dabei das o gedehnt.
    »Nein, es heißt ›Brosche‹ mit offenem o«, hatte er sie korrigiert und den Verkäufer in dem Laden in Amherst imitiert. Sie hatte zurückgeblafft, dass er jetzt wohl alles zu wissen meinte, nur weil er aufs College ginge. Er lächelte schwach bei dem Gedanken daran, wie gern sie ihrem amerikanischen Sohn in ihrem Dubliner Akzent einen Dämpfer gegeben hatte.
    Jemand hatte versucht, das letzte Schmuckstück, ein goldenes Medaillon an einer Kette, um den Hals des Jungen zu legen, aber die Kette hatte sich in der Tüte verfangen und war nur halb um seinen Nacken geschlungen worden.
    »Wissen Sie, was das hier sein könnte?«, fragte Marino erwartungsvoll schmunzelnd. Er wollte ihn testen. Quinn hatte schon gehört, was die jungen Leute, die die Leiche gefunden hatten, Marino darüber erzählt hatten. Sie saßen drüben im Wohnzimmer, das Mädchen weinte, der Junge wirkte verschreckt. Quinn war aufgefallen, wie verstört der Junge war. Der Mitbewohner, hatte er gesagt. Er war der Mitbewohner
des Toten. Das Mädchen war mit beiden befreundet, dem Toten und dem Mitbewohner, doch so eng aneinandergeschmiegt, wie die beiden auf dem Sofa saßen, waren sie für Quinn mehr als nur Freunde. Sie waren zurückgekommen, weil die Dusche im Apartment des Mädchens nicht funktioniert hatte.
    Aber davon wusste Marino nichts. Er wollte Quinn nur auflaufen lassen. Sie arbeiteten jetzt seit einem Jahr zusammen. Quinn war ins Morddezernat versetzt worden, nachdem Marinos Partner von seiner Frau laut einem Polizeibericht in Folge eines Ehekrachs, bei dem es sich, wie Quinn gehört hatte, vielmehr um eine tätliche Auseinandersetzung ohne Rücksicht auf Verluste gehandelt hatte, mit einem Messer erstochen worden war.
    Quinn hatte seit vier Jahren auf die Versetzung gehofft, und er war vielleicht - wie ihm nun klar wurde - etwas übereifrig gewesen. Marino war ein kompakter, breitschultriger Typ mit Augenbrauen, die in der Mitte spitz zuliefen und einem Pfeffer-und-Salz-Bürstenschnitt. Seit seiner Highschool-Zeit hatte er ein Boxerohr vom Ringen. Er liebte Western in Taschenbuchausgaben, hatte stets fünf oder sechs davon auf seinem Schreibtisch gestapelt und ein paar lagen auf der Rückbank in seinem Wagen, falls er ohne Lesestoff irgendwo festsaß. Er schien nichts anderes zu lesen, und Quinn gefiel die

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