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0636 - Der dunkle Lord

0636 - Der dunkle Lord

Titel: 0636 - Der dunkle Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Lamyron fühlte, daß sich etwas veränderte in der Welt. Er konnte es selbst nicht sehen, aber er war sicher, daß seine Schwingen es bildhaft Wiedergaben. Seine prophetische Gabe nützte ihm selbst nichts; nur andere konnten die Bilder sehen und interpretieren.
    Er war ein Prophet für die anderen, nicht für sich selbst…
    Aber er konnte die Veränderung spüren. Etwas unsagbar Böses war in die Welt zurückgekommen. Etwas, das Rache nehmen wollte.
    Aber an wem?
    Lamyron war einsam. Er benötigte jemanden, der ihm half, die Bilder zu sehen.
    Von Shirona hatte er sich getrennt, als er erkannte, daß sie ihn nur für ihre eigenen Zwecke benutzte. Seither war er wieder allein auf sich gestellt.
    Und er grübelte.
    Wer waren seine Gegner? Wem konnte er vertrauen?
    Es war so schwer, das herauszufinden. Shirona war die letzte gewesen, der er vertraut hatte. Doch das konnte er nicht mehr. Sie hatte ihn belogen und ausgenutzt.
    An wen konnte er sich wenden?
    Gab es überhaupt noch jemanden im Universum, dem er vertrauen konnte?
    Der verlorene Engel schwang sich in die Lüfte und trieb unter jagenden Wolken dahin, beschienen von grellster Sonne und dem Funkeln des Sternenzeltes. Auf der Suche nach einem Ziel, das er nicht kannte…
    ***
    Weltraumkalte Augen beobachteten das seltsame Wesen, das unter dem Himmel dahintrieb. Ein geflügelter Mann, einem Engel gleich, gekleidet in einen Lendenschurz und bewaffnet mit einem mächtigen, runenbedeckten Bihänder-Schwert. In seinen Augen brannte ein eigentümliches Licht.
    Der Dunkle Lord konnte nicht sagen, welcher Art dieses Phänomen war. Er kannte es nicht. Aber er fühlte, daß er hier vielleicht ein Werkzeug gefunden hatte, das er einsetzen konnte.
    Er lachte lautlos auf.
    Und schleuderte seine Kraft auf den Geflügelten.
    Paradox-Magie wurde innerhalb von Sekundenbruchteilen wirksam und erfaßte den Engelsgleichen.
    Der Dunkle Lord fühlte Zufriedenheit in sich aufsteigen, als er die Stärke dieses Wesens fühlte. Dann stand er ihm gegenüber.
    Er sah die ausgebreiteten Schwingen und die Bilder, die sich auf den gespreizten Innenseiten der Flügel zeigten. Verwaschen zwar, aber dennoch erkennbar.
    Sie zeigten ihn.
    Da wußte er, daß es richtig war, was er tat.
    Der Engelsgleiche war sein auserwählter Todesbote.
    Und der Dunkle Lord trug ihm auf, was zu tun war.
    Die Paradox-Magie, unwahrscheinlich stark in ihrem Wirken, ließ dem Engelsgleichen keine Wahl.
    ***
    Auf dem Gipfel eines Berges im südlichen Wales, oberhalb der Ortschaft Cwm Duad, erhob sich Caermardhin, die unsichtbare Burg des uralten Zauberers Merlin. Niemand, der sie suchte, hatte sie jemals gefunden, solange Merlin dies nicht ausdrücklich wünschte. Die Burg war mehr als unsichtbar; sie war für ungebetene Sucher und Besucher einfach nicht existent. Sie konnten sich auf dem Berggipfel bewegen, ohne zu wissen, daß sie unsichtbare Mauern durchdrangen, ungreifbare Schätze streiften und von unsichtbaren Augen beobachtet wurden.
    Aber es geschah sehr selten, daß ungebetene Besucher hierher kamen.
    Und jene, denen das Betreten Caermardhins gestattet war, wußten andere Wege als über Stock und Stein vorbei am Felsen mit der Mardhin-Grotte durch den Wald zum kahlen Gipfel hinauf…
    Eine jener Personen, die nahezu unbeschränkt Zutritt hatten, war Teri Rheken, die Druidin vom Silbermond. Ebenso wie der Druide Gryf hatte sie sogar ein eigenes Quartier in einem der unzähligen Räume der Burg, die Merlin in eine andere Dimension hineingebaut hatte und die innen weitaus größer war, als es die äußeren Abmessungen in der realen Welt zuließen.
    In ihrem Wohnraum war sie nicht allein.
    Merlin war bei ihr.
    Seufzend küßte Teri ihn noch einmal und ließ endlich wieder von ihm ab. Sie ließ sich zur Seite neben ihn auf die weichen Felle ihres Lagers fallen und öffnete die Augen wieder. Sie war immer noch beinahe atemlos, ihr Körper glühte förmlich.
    Langsam erhob Merlin sich, strich mit den Fingerspitzen sanft über ihre Haut und sorgte allein dadurch schon wieder für neue Hitze. Der alte Knabe weiß verdammt gut, wie man eine Frau verwöhnt , dachte Teri genießerisch und reckte sich ihm wieder entgegen. Ein paar Jahrtausende Erfahrung…
    Merlin lächelte. Er wollte nach seinem Gewand greifen.
    »Warte«, protestierte Teri. »Zieh dich noch nicht wieder an. Bleib noch ein wenig so. Oder gönnst du einem kleinen Mädchen nicht mal einen schönen Anblick?«
    Merlin ließ den weißen Stoff wieder fallen.

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