Der träumende Diamant 2 - Erdmagie
angelte Zane eine Kerze und Phosphorstreichhölzer aus der Tasche - Gott sei Dank hatte Imre den Mantel nicht entdeckt - und ließ sich von der kleinen, flackernden Flamme zeigen, aus welcher Richtung der Luftzug kam.
Das Kerzenlicht enthüllte ihm auch, dass der Diamant verschwunden war. Zane hatte die zerschmetterte Laterne gefunden, das war alles.
Verdammt gut gezielt , dachte er kurz und machte sich an den Aufstieg.
Es erschien ihm wie Stunden. Er stellte sich vor, Lia wäre verletzt. Er malte sich aus, sie würde bluten wie er. Er sah sie vor sich, wie sie auf ihrem Rücken dalag, Imre über ihr, seine Hände auf ihrer weißen Haut, und er stolperte ein wenig rascher voran. Hin und wieder suchte er sich seinen Weg ohne die Kerze, um sich das Wachs aufzusparen; er hatte zehn Streichhölzer. Noch neun Mal hatte er die Möglichkeit, sie wieder anzuzünden. Er versuchte, die Kerze nur an Gabelungen in den Tunneln zu benutzen.
Er wusste nicht, wann er anfing zu begreifen, dass der Schein der kleinen Flamme nicht die einzige Lichtquelle vor ihm war. Die Wände begannen wieder Struktur und Form zu erlangen. Die Luft verlor den schalen Geruch.
Er hörte einen Vogel zwitschern. Der Tunnel endete vor einem Durchbruch, durch den Tageslicht einfiel; davor befand sich ein kleiner Steinhaufen unter einer Öffnung, die kaum größer war als Zanes Gesicht. Er hielt ein Auge vor das Loch und schaute hinaus in den sonnenbeschienenen Wald, und ein winziger, glänzender Singvogel, buttergelb, hockte auf einem Pinienzweig unmittelbar vor ihm. Der Vogel erwiderte seinen Blick und verstummte. Dann hüpfte er auf seinem Sitz ein kleines bisschen zur Seite, plusterte die Federn auf und begann wieder zu singen.
In einem kleinen, abgeschiedenen Teil ihres Herzen sah Lia zu, was mit ihr geschah. Sie spürte die Hände der Anderen , als sie ihr dabei halfen, sich anzukleiden. Sie hörte ihre flüsternden Stimmen, und auch wenn sie die rumänischen Worte nicht richtig verstehen konnte, spielte das keine Rolle, denn sie sprachen über sie, nicht mit ihr.
Sie fühlte das Tageslicht auf ihren Schultern, als sie ihr das Korsett schnürten. Die Kleidung der Anderen roch nach der frischen Luft draußen, das Rot auf ihren Wangen nach künstlichen Rosen und ihr Atem nach Kaffee und Milch.
Lia hob ihre Arme, als sie ihr das dunkelgrüne Mieder anlegten, und die Spitze kratzte auf ihren Brüsten. Sie schaute aus dem Fenster des Schlafzimmers und dachte: Verwandle dich.
Aber das tat sie nicht. Sie versuchte es nicht einmal. Prinz Imre hatte sie freundlich den Zofen übergeben und befohlen:
»Sie sollen sich um dich kümmern«, und das war alles, was sie nun noch wollte.
In ihren Träumen hatte sie nichts sehen können, aber jetzt konnte sie alles verfolgen. Draumr war ein leises, angenehmes Surren in ihrem Kopf, und alles um sie herum erschien ihr weicher und wie von einem Schleier verhangen. Ein nebliger Vorhang schien sie vom Raum, von den Frauen und allen harten Konturen zu trennen. Sie stand allein dahinter, bewunderte das Lichtspiel, war abgelenkt, froh und im Frieden mit der Welt. Sie war wieder unter der Oberfläche des Sees; sie hatte den See nie verlassen. Sie brauchte nicht zu schwimmen, denn das Ertrinken war so süß.
Wäre da nur nicht dieser kleine Teil ihres Herzens gewesen.
Das Himmelbett war morgens gemacht worden. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass jemand darin geschlafen hatte; selbst die Kissen sahen unberührt aus. Und außer der zarten Liebkosung durch Zanes Geruch gab es nichts mehr, das in diesem Zimmer an ihn erinnerte. Nur Lias eigene Besitztümer waren noch dort, ihr Koffer, ihre Kleider und zwei Paar Schnallenschuhe.
Die Frauen steckten ihr Ringe an die Finger, die nicht ihr gehörten. Sie tupften Parfüm auf ihre Kehle, das sie nicht kannte. Lia bewunderte den Schmuck und ließ sich ihr Haar ausbürsten, es in Locken legen und mit französischem Puder bestäuben.
Der verborgene Winkel in ihrem Herzen begann zu schmerzen, aber ihr Körper blieb reglos. Trotz des Ziehens in ihrem Herzen gab sie sich damit zufrieden, herumzusitzen, bis Imre nach ihr rufen ließ.
Wie bei dem Palast in Óbuda war es unmöglich, sich unbemerkt Zutritt zu Zaharen Yce zu verschaffen. Die Burg war mehr eine Festung als alles andere, mit einem einzigen Eingang, den Zane kannte, und dies waren ein bewachtes Tor und ein Fallgatter, das nicht weniger beeindruckend war als das einer der normannischen Festungen, die die Hügel
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