Der träumende Diamant 2 - Erdmagie
umrahmte. Sie machte einen Satz auf ihn zu, und ihre Zähne schnappten nach ihm, verfehlten ihn aber um Haaresbreite. Er sprang zurück, diesmal wirklich, jedoch
eine Spur zu langsam, ein wenig zu schwerfällig, und wie ein Blitz traf sie ihn. Dieses Mal drehte sie sich, um mit dem dicken Teil ihres Schwanzes sein linkes Bein zu treffen.
Er hörte, wie der Knochen brach. Es schmerzte nicht, denn dafür blieb keine Zeit. Er stürzte zu Boden und rollte seinen Körper ab. Instinkt hatte nun von ihm Besitz ergriffen, und er bewegte sich und brachte sich, so rasch es ging, in Sicherheit und außerhalb ihrer Reichweite. Dann sprang er wieder auf, doch da ihm schwindelig war und er heftig blutete, konnte er nicht mehr richtig das Gleichgewicht finden.
Ein blutroter Handabdruck war an der Stelle zu sehen, an der er zu Boden gegangen war. Seine Schulter brannte. Er humpelte und drehte dem Blutfleck den Rücken zu, während er an all die verborgenen Waffen dachte, die er noch besaß: Messer. Einbruchswerkzeug. Drahtdünne Klingen, mit denen er ein Herz unter dem Rippenbogen hindurch treffen oder ein Auge ausstechen konnte.
Er würde nichts davon benutzen. Sie würde ihn nicht töten. Trotz seines Beines und seiner Schulter gab es keine Macht der Welt, die ihn bewegen konnte, die Hand gegen sie zu erheben.
Lia wirbelte herum und traf mit einem ihrer beeindruckenden weißen Flügel den Tisch. Er fiel um und zerschmettertes Porzellan, Jasmin und vergossener Wein verteilten sich über den Boden. Der Prinz machte einen Satz zurück. Die Prinzessin erhob sich noch immer nicht, nicht einmal, als die Blumen und das Wasser aus der zerbrochenen Vase auf ihren Füßen landeten.
Lias Augen wurden zu Schlitzen, und als sie Zane ansah, zitterte ihr ganzer Körper. Sie zog eine gebogene, goldene
Klaue vor sich über den Boden, was diesen einen Zentimeter tief furchte.
Zane begann seine Strategie noch einmal zu überdenken.
Jemand jenseits des Sees kontrollierte ihre Muskeln. Jemand jenseits des Sees sang in ihrem Ohr: Gehorche mir, gehorche mir, gehorche . Sie selbst wurde zum Lied, zur Melodie und zur Harmonie, der geschickte Tod, der durch die Partitur auf- und niederfuhr, seitlich, sich drehend, ein Chanson , das die Flügel hob und die Luft in Schwingungen versetzte und den Menschenmann, der gegen sie kämpfte, zwang, sich zu ducken und zur Seite zu werfen.
Er hatte kein Schwert. Er hatte keine Pistole. Es schien nicht fair, ihn zu töten, aber der heiße Geruch seines Blutes erfüllte ihre Nüstern, und das war erregend. Sie hatte ihn bereits verletzt, und das war gut.
Er rief ihren menschlichen Namen.
Lia!
Etwas Kaltes regte sich in ihrem Herzen. Ein Wurm; ein Zweifel. Etwas, so tief wie ihre Sehnen und ihr Mark, protestierte und ließ sie an Ort und Stelle verharren. Es zwang sie, innezuhalten und den Mann zu betrachten, der vor ihr herhinkte und zu ihr zurückkam, ungeachtet der Tatsache, dass sie dabei war, ihm sein Leben zu nehmen.
Er hob den Blick und suchte den ihren, seine Lippen waren zusammengepresst, und seine Haare fielen ihm über die Schultern und auf den Mantel. Er streckte ihr eine blutige Hand entgegen und versuchte, sein Gewicht auf ein Bein zu verlagern.
Und dann … erinnerte sie sich an ihn, an seine Haare, die
lang waren - eigentlich viel zu lang für einen Mann - und die Farbe von Honig und Zobel hatten, blond und tiefbraun zugleich. Sie kannte diese Farbe. Sie kannte sein Gesicht. Seinen angespannten Kiefer. Seine gelben Augen.
Ja, sie kannte ihn schon ihr ganzes Leben lang.
Seinetwegen besaß sie einen Saphir. Sie hatte einen Traum, viele Träume, eine Familie und ein Zuhause - seinetwegen.
Lia sah ihn an einem anderen Ort, in einem Land der grünen Hügel und sanften Bäche. In einem Land mit Teichen, Kindern und Angelruten, die im Kreis im flachen Wasser aufgestellt waren.
Sie schüttelte den Kopf. Sie blickte sich ungestüm in dem ihr fremden Raum um und fühlte, wie sie innerlich zusammenschrumpfte.
»Löwenmäulchen.« Der Mann war nicht so zäh, wie es den Anschein hatte. Er sank zur Seite und fiel auf eins seiner Knie. Seine Haut war schweißbedeckt und bleich. Blut hatte sich in einem Kreis um ihn herum wie rote Regentropfen auf dem Boden verteilt. Es sah sehr schlecht aus.
Sie vollzog die Wandlung und wurde zu Rauch. Und dann verwandelte sie sich zur Frau. Jenseits des friedlichen Ortes rief jemand donnernd ihren Namen, und sie presste sich die Hände auf die Ohren, kauerte sich
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