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Der träumende Kameltreiber (German Edition)

Der träumende Kameltreiber (German Edition)

Titel: Der träumende Kameltreiber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amor Ben Hamida
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bestanden, ihn zu einem Kaffee einzuladen, in der Annahme, das sei keine große Angelegenheit. »Das ist doch selbstverständlich«, hatte sie gesagt. Mansour wusste, dass es alles andere als selbstverständlich war, sich von einer Frau einladen zu lassen. Eine Landsfrau hätte es nie und nimmer gemacht, und wenn er ihr das Leben gerettet hätte. Nach dem Kaffee war sie gegangen, nicht ohne ihm ihre Handy-Nummer zu hinterlassen. Sie schrieben Kurzmitteilungen, dann E-Mails, dann telefonierten sie. Sechs Monate später kam sie wieder und es sah so viel versprechend aus. Mansour sah sich schon in Europa. Doch Mansour war kein Weiberheld, kein attraktiver Animateur. Ein solcher schnappte ihm sein Ticket nach Europa vor der Nase weg. In einer Disco geschah es. Mansour fing nie wieder etwas mit einer Europäerin an. An seiner statt war jetzt dieser Animateur in Deutschland …

    Dann saß da Moncef, ein kleiner, rundlicher Mann um die dreißig, der am Strand von Port el Kantaoui alles verkaufte: Süßigkeiten, Früchte, Bootsausfahrten, Postkarten und Briefmarken, Rundreisen und Teppichbesichtigungen. Er hatte auch schon Kamelritte vermittelt, von deren Erlös ihm Ahmed einen vereinbarten Anteil gab. Er übersetzte Briefe für verliebte Kellner, gab Ratschläge an Touristinnen, denn er kannte nahezu jeden Animateur und jeden Angestellten der umliegenden Hotels. Er nannte sich »Manager«, ihm fehlte nur eine Visitenkarte. Auch sein Versuch, nach Frankreich zu reisen, war an einem Konkurrenten gescheitert. Eine junge Französin hatte ihm Hoffnungen gemacht, sich von ihm zu den interessantesten Flecken der Stadt führen lassen, bis sie ihn eiskalt für einen schönen Kellner stehen ließ. Seither hatte er immer wieder Kontakte gepflegt, hatte auch schon eine Art Beziehung zu einer Frau aus Brüssel geführt, aber er wollte nie wieder etwas Ernstes mit einer Europäerin anfangen.

    Sliman war noch sehr jung und sah aus wie ein Model: kurzer Haarschnitt, feine Gesichtszüge, reine Haut und sehr gepflegte Zähne, ein Lächeln, das mancher Frau den Kopf verdrehte. Er arbeitete als Animateur im Hotel Chams El Hana. Er war besonders gespannt auf Ahmeds Geschichte, denn er hatte schon viele Erlebnisse mit Touristinnen gehabt, die ihn nach Europa mitnehmen wollten. Aber seine Eltern hatten es ihm verboten. Er stammte aus Sousse, seine Eltern kamen beide aus traditionellen, alteingesessenen Familien und bewohnten eine schöne Villa im Quartier Bab el Jebli. Er hatte auch schon Angebote von europäischen Männern bekommen. Sie führten ihn aus, brachten ihm Geschenke, aber er hatte immer behauptet, er hätte niemals etwas angefangen mit diesen »kranken« Männern. Er hätte nur von ihrer »Schwäche« für ihn profitiert und sich beschenken lassen. Er war wahrscheinlich der Mann mit den besten Aussichten auf einen Heiratsvertrag und ein Visum nach Europa. Er hatte Kontakte zu Touristinnen aus aller Herren Ländern, kannte Deutsche, Französinnen, Schweizerinnen, Engländerinnen, Italienerinnen und sogar Russinnen. Würden seine Eltern ihm den Segen geben, er hätte morgen schon eine Gelegenheit abzufliegen. Aber ausgerechnet er, der die besten Chancen hatte, war nicht interessiert. Sein Vater hatte ihm auch schon angeboten, den Job als Animateur endlich aufzugeben und eine korrekte Ausbildung im Hotelfach zu machen, in Lausanne beispielsweise. Aber Sliman machte der Job eben Spaß, er lebte unbeschwert, pflegte Kontakte und dachte lieber an den bevorstehenden Abend als an nächstes Jahr.

    Massoud war ein schüchterner Junge, etwas verwahrlost, seine Kleider waren selten sauber, seine Haare ließ er einfach wachsen bis weit über die Schultern. Er spielte jemanden und wusste nur nicht wen … Er lebte am Strand, im Sommer unter freiem Himmel, im Winter bei Freunden, die kleine Baracken besaßen. Schon mehrmals war er von der Polizei aufgegabelt und für eine Übernachtung in ein Revier gebracht worden. Alle kannten ihn: Er galt als der »kleine Derwisch«, man gab ihm aus Mitleid mal etwas zu essen, mal Geld, man lud ihn gelegentlich zu einem Tee ein, denn er war sozusagen teesüchtig. Bekam er bis neun Uhr morgens keinen starken, schwarzen, süßen Tee, fingen diese fürchterlichen Kopfschmerzen an. Und er musste keine Gegenleistung erbringen. Zwar hatte er noch nie die Hand ausgestreckt, aber seine Freunde hatten ihm schon oft Bettelei vorgeworfen. Er aber sagte immer:
    »Die Touristen sind eben gute Menschen. Sie sehen in mich

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